Re: Scheuklappen ? Es geht doch voran ...


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Abgeschickt von Walter Keil am 28 April, 2012 um 15:30:23

Antwort auf: Scheuklappen unserer Welterkenntnis von Peter Niemann am 25 April, 2012 um 18:22:38:

Hallo Herr Niemann,
dieser wohl formulierte Beitrag von Ihnen ist für mich nun voller Aspekte, die ich gern mit meinem Weltbild kommentieren möchte.

Wenn wir hier im Forum diskutieren, dann haben wir wohl immer den Hintergrund, dass die Wirklichkeit von uns Menschen immer besser erkannt wird und zahlreiche neue philosophische Aussagen gemacht werden können. Also Aussagen darüber, was das alles für mich und für die Menschheit bedeutet. Wie verändert die wissenschaftliche Erkenntnis, da vor allem die naturwissenschaftliche Erkenntnis, unsere Vorstellungen von der Welt und unser Selbstverständnis.
Es bleibt also nicht beim Aufzählen von naturwissenschaftlichen Erkenntnissen.
Nun, da Sie Hoimar von Ditfurths Bücher erst seit kurzen kennen, kann ich Sie, so glaube ich besser verstehen.
Sie gewähren hier nun im Forum einen wertvollen tieferen Einblick in Ihre Prägung. Ich kann das nur Hochschätzen !
Denn so begeben wir uns doch erst in die Situation, die es zulässt mit dem notwendigen Respekt und „Mitgefühl“ zu diskutieren.

Wenn Sie nun Ihre atheistische Prägung und die spätere Hinwendung zum Christentum und gleichzeitig Ihre Gefühl der Unzufriedenheit darüber ausdrücken, dann sind Sie mir ganz nah.

In meiner Arbeiterfamilie war meine religiöse Erziehung in den Jahren bis zur Pubertät nicht wirklich sehr intensiv. Meine Eltern schickten mich in den Sonntagsgottesdienst, blieben aber selbst meist zu Hause.
Der Religionsunterricht in der Schule war meistens langweilig und wurde von mir in meinem Inneren immer ziemlich ketzerisch hinterfragt. Ich habe da immer noch einen Moment im Gedächtnis, als ich auf dem Heimweg vom Religionsunterricht, Selbstgespräche führte.
Aber ich habe als ausgemachtes Sensibelchen mit fröhlichem Gemüt die Figur Jesus Christus sehr früh zu meinem inneren Gesprächspartner gemacht und so für viele Jahre das Grundmotiv von Liebe, Nächstenliebe, Friedensliebe und Pflichterfüllung und Ehrlichkeit hochgehalten.

Dann, es war wohl während meiner Zeit als Wehrpflichtiger, ich bin da durch mein Umfeld in eine gewisse Verrohung und Machokultur geraten (Autos - Alkohol etc).
Es war, so denke ich heute, ein Verlust an Kindlichkeit.
Dann kam dazu der Umgang mit Mädchen und der Drang nach einem Sexualleben.
Hier war ich auch wohl ein Spätentwickler und von einigen Freundinnen frustriert.
Zu diesem Zeitpunkt wurde ich zu einem Menschen, dem die religiöse Seite Schritt für Schritt verloren ging. Mein Brauch eines täglichen Gebetes ging verloren und zur Kirche ging ich nicht mehr – ich stand zu Ihr in Opposition. Ich kündigte meine Stellung bei der Post (Postobersekretär mittlerer Dienst) machte das Fachabitur nach und war politisch etwas links von der SPD. Es war eigentlich, so Ende der 60er und Anfang der 70er Jahre, der allgemeine Zeitgeist in der Jugend, alle bürgerlichen Zwänge und Autoritäten in Frage zu stellen. Mit 29 lernte ich dann meine jetzige Frau kennen und manches wurde anders.
Liebe, Sex, Arbeit und die geistige Seite ergänzten sich und verschmolzen zu einem partnerschaftliche Leben, das ich als zutiefst natürlich und einheitlich empfand. Mit meiner Frau hatte ich eine gewisse Ablehnung der meisten bürgerlichen Normen gemein, aber wir beteten auch gelegentlich. Dann, um uns in Krisensituationen Mut zu machen oder um sich für das gemeinsame Glück zu bedanken. Als dann Kinder kamen und Berufsleben und Familienleben voller Arbeit war, ging für einige Jahre abermals mein religiöses Leben den Bach hinunter. Es war dann so um 1980 herum und da entdeckte ich durch meine Kinder die Bedeutung der Vererbung und der Evolution. (Meine Tochter hatte anfangs starke Ähnlichkeiten mit meiner Schwiegermutter.) Ich begann Ditfurth zu lesen und glaubte Wissenschaft erhellt jetzt meinen Kopf und die Wirklichkeit ist einfach eine, wie auch immer gewordene, natürliche Welt.

Doch dann das Leiden und der Tod im persönlichen Umfeld.
Zwei junge Menschen, beide so um die 35 Jahre, erkrankten an Hirntumoren - wurden operiert, und starben. Ihre Persönlichkeit ging bei den Operationen mehr oder weniger verloren, es war schlicht schockierend. Sie wirkten nach den Eingriffen wie Zombies.
Dann wenige Jahre später, das Gleiche bei meiner Schwiegermutter. Von da an, war Gott und die tiefere Bedeutung des Lebens wieder ein Thema.
Wie kann so viel Leid in einer Welt Gottes existieren. Ich hatte zu knabbern und war zwischen einer zufälligen Natur ohne Gott und einer idealen Welt Gottes, die die Menschen
beschädigen, hin und her gerissen.
Ich las immer mehr Bücher aus dem Bereich der Naturwissenschaft und erkannte das philosophische Potential. Ditfurth war jetzt eine starke Leitfigur für mich.

Als gesprächiger Mensch diskutierte ich plötzlich viel zu allen möglichen Gelegenheiten und bei irgendwelchen Festen, stand ich immer im Brennpunkt von hitzigen Diskussionen.
Heute ist mir klar, dass die philosophische Deutung, also das Entwerfen eines Bezugsystems zu unserem Leben, eine wesentliche Aufgabe ist, die Ditfurth erst angestoßen hat.
Da ich in meinem Leben keinen geradlinigen Lebensweg hatte, sind einige tiefe Veränderungsprozesse wohl der Auslöser für meine Sehnsucht nach Verständnis gewesen.
Aber mein erstes Buch über Astronomie habe ich mir schon 1972 gekauft und das hat mich etwas schockiert: Prof. Heinz Haber meinte in seinem Buch der offene Himmel in etwa so:
Um die Planeten und Sterne und das Universum zu verstehen muss man Atome verstehen!

Alles beginnt im Kleinen !

Heute: alles beginnt bei der Energie und ihrer Quantenstruktur.
Energie hat aber das wesentliche Merkmal der Konstanz in der Zeit und ständigen Flusses.
Energie ist einfach da, ist naturwissenschaftlich gesehen ewig, lässt sich nicht aufhalten, zwar Nutzen und Leiten, aber nicht auslöschen.
Nun das stimmt wohl so, aber wenn man neben der Portionsstruktur der Energie (Quanten sind quasi wie Teilchen) noch die Wellenstruktur dazu nimmt, ergibt sich eine wesentliche Ergänzung:
Wellen können sich gegenseitig Verstärken, Abschwächen und sogar Auslöschen.
(bekanntes Beispiel: Antischall)

Nun, wenn alles aus Energie kommt und besteht und das Universum durch Kräfte auseinander driftet, Himmelskörper bildet und genetisch gesteuerte Lebewesen hervorbringt, dann sehen wir nun nach 13,7 Milliarden Jahren plötzlich, dass das auch durchaus als sinnvolles Geschehen betrachtet werden kann.

Somit haben wir, haben wir ein Deutungsfeld erreicht, dass eine ungeheures Potential
besitzt.
Das ist eigentlich mein zentrales Anliegen. Die Deutung der globalen Entwicklung des Universums und die Ergründung der Zusammenhänge mit unserem persönlichen Leben.
Religion und Philosophie sind für mich zwangsläufige Entwicklungsphasen der gemeinsamen
menschlichen Geisteskultur und somit immer in Veränderung.
Wobei wir eine Beschleunigung
der Erkenntnisentwicklung und auch der Lebensumstände beobachten.
Was ich allmählich für gefährlich halte.
HvDs Apfelbäumchen war für mich in dieser Hinsicht ein richtiger Schock mit Langzeitwirkung, dessen puren Pessimismus ich nicht wirklich übernehmen kann.

Die Aufklärung hört nicht auf und ich denke, sie kann die geistige Wende bringen.
Ich meine, es geht voran.
Von Scheuklappen zu sprechen, beim Versuch die Welt zu verstehen, halte ich bei einer wachsenden Erkenntnislage für wenig hilfreich. Aber es stimmt, dass wir noch viel nicht wissen.

Und warum der Weg der Erkenntnis ?
Es geht um die Zukunft !
Alle Erkenntnissuche, alle Gelehrsamkeit und alle religiöse Botschaften haben doch den Sinn unserer Zukunft ! Ich meine, es geht um das Werden von uns und der Welt.

Eine besondere Schwierigkeit liegt nun darin, dass man im wesentlichen Sprache dafür benützen muss. Sprache, also Begriffe, sind Codierungen die vom Sender abgegeben, beim Empfänger nicht unbedingt ein gleichartiges Verständnis und gleiche Assoziationen auslösen, so wie vom
Sender einer Sprachbotschaft erhofft.
Hier liegt auch ein Sinn und Notwendigkeit der Diskussion verborgen.

Mein Gottesglauben speist sich nun überwiegend aus der Naturwissenschaft, hier besonders über deren geistige Seite, wie Programmierung, und aber auch aus manch alter religiöser Überlieferung - nicht nur aus dem Christentum.

Soviel für heute. Ich vermute, geehrter Herr Niemann, dass Sie über die ziemlich weit hergeholte Argumentation auf Ihren Beitrag verwundert sind. Zahlreiche Details spreche ich gar nicht an. Aber ist nicht so, dass man mit einer persönlichen Weltbildschau viele Fragen auf einmal beantwortet ?

Mit freundlichen Grüßen
Walter Keil




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