Re: Wieviel Utopie braucht der Mensch ?


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Abgeschickt von Egon de Neidels am 29 Dezember, 2007 um 18:30:07:

Antwort auf: Wieviel Utopie braucht der Mensch ? von Walter Keil am 25 Dezember, 2007 um 11:04:24:

“A map of the world that does not include Utopia
is not worth even glancing at.” (Oscar Wilde)


Hallo Herr Keil und alle MitleserInnen,

ja, John Lennon war mehr als „nur“ ein Beatle. „I don`t believe in magic,..... I believe in me, Yoko and me“ lauten Zeilen in einem anderen Song von ihm. Sein „Bed-in for peace” im Amsterdamer Hilton ist schon Legende: „All we are saying, is give peace a chance“. Er sang für den Frieden, den Arbeitern, die Frauenrechte, dem irischen Volk und kritisierte die Verantwortlichen („Have You seen the little piggies?“, „Taxman Mr. Wilson, taxman Mr. Heath“) und spielte in einem Antikriegsfilm eine Hauptrolle. In der Ermordung John Lennons 1980 prallten fast schon exemplarisch Vernunft und Fanatismus oder Wahnsinn aufeinander – wie schon vorher bei Martin Luther King und anderen.

Was ist Utopia? Die ewige Karotte vor menschlichen Eseleien? Die Suche nach dem verlorenen Paradies? Das Prinzip Hoffnung oder doch immer nur Endstation Sehnsucht?

Der Weg nach Utopia wurde uns früh schon gewiesen. Die Bergpredigt Jesu, die Ethik Buddhas, die Wahrheitsliebe Sokrates und vieles mehr waren solche Wegweiser. Man hätte sich nur daran zu halten brauchen. Statt aber derartige Verkündigungen in das Leben zu integrieren zog man es nur allzu oft vor, die Verkündiger zu beseitigen. Sie hätten uns ja die „Tour vermasseln“ können, diese alte Raubtiertour im Zwischenhirn. Nicht umsonst – fast als eine Art von Ahnung - sind Schlange und Drache als Metaphern der Bosheit bekannt - bei ihnen dominiert in besonderer Weise ein Gehirn, was auch wir noch in uns tragen. Der Bereich unseres Großhirnes, der direkt über unseren Augen liegt ist dagegen eine späte, aus einem Riechhirn resultierende, Entwicklung. Das ist der Ort der sozialen Anpassung, das Über-Ich oder Gewissen. Läsionen oder Degenerationen in diesem sog. orbitofrontalen Cortex (OFC) führen u.U. zu fatalen sozialen Folgen, man wird sehr egoistisch und rücksichtslos. Dieser Befund – zum erstenmal im 19.Jahrhundert bei einem verunfallten Gleisstreckenbauer namens Phineas Gage erhoben – zeigt uns quasi als „Hardwarekorrelat“, worum es hier geht und warum Utopia keine Realität werden kann bei unserer Spezies. Hunderte von Millionen Jahren Gehirnentwicklung stehen einigen Hunderttausend Jahren „moderner“ wesentlich um ein Sprachzentrum erweiterte Großhirne gegenüber. Was wir sind, sind wir dank unserer Syntax- und Semantikfähigkeit. Australopethicen und frühe Hominiden hatten keine Codizes. Es sollte also den etwas in Evolutionsbiologie bewanderten Menschen gar nicht verwundern, dass es mit uns so und nicht anders bestellt ist. Hoimar von Ditfurth hat es natürlich auch nicht verwundert und sein „Apfelbäumchen“ ist ja im Grunde die Schlussfolgerung nicht nur eines exzellenten Natur- und Gesellschaftskenners sondern auch eines Psychiaters, der er ja von Haus aus war, aus alledem.

Gleichwohl besteht Hoffnung – wenn auch wohl kaum für unsere gegenwärtige Spezies, denn wir werden unseren durchaus großartigen Ideen und Lösungsvorschlägen nicht oder nur halbherzig folgen. Diese Hoffnung besteht in der Weiterentwicklung des OFC in Richtung verstärkter Einflussnahme auf das limbische System. Dort ist ja nicht nur die Aggression zu Hause, sondern auch die Brutpflege. Letztere vermag schon bei Tieren zu Handlungen führen, die wir selbstlos nennen. Es ist also immer schon – quasi von Anbeginn – etwas im Leben, was der Destruktivität zuwider läuft. Das ist das, was pathetisch der Kampf zwischen Gut und Böse genannt wird.

Es gibt – wenn auch umstrittene – Ansichten, nach denen sich seit dem Mittelalter wieder etwas in unseren Schädeln bewegt, was man Keilbein nennt (angeblich nachweisbar an sich ändernden Gebissen). Diese Bewegung soll ursprünglich dafür gesorgt haben, dass wir aufrecht gehen und hat zu weiteren Differenzierungen unserer Gehirne geführt. Es ist daher nicht auszuschließen, dass es sich dabei um die ersten Anzeichen einer Weiterentwicklung handelt. Der Schädel muss sich ja verformen, um Gehirne umzuorganisieren, da der Großteil dessen, was sich in ihm befindet Verbindungsfaser der Neuronen sind – also „Kabel“. Wenige Änderungen können daher zu einem umfangreichen Mehrbedarf schlicht an Platz für diese Fasern führen. Andererseits darf die „Bruttogröße“ der Schädel nicht weiter zunehmen um nicht die Geburt durch Kaiserschnitt zu standardisieren. - Die Schwierigkeit solcher Hypothesen liegt in dem Verlassen des darwinschen Evolutionsprinzips und einer scheinbaren Renaissance einer „geheimnisvollen“ Lebenskraft, da die evolutionäre Keilbeinbewegung ja einem Mutations-Selektionsprinzip entsprechen müsste. Es müsste also ein mutagen bedingtes Genom vorliegen, welches ein etwas verändertes Keilbein hervorbringt, was sich besser bewährt und damit fortpflanzungseffektiver wäre. Welche Selektoren könnten hier wirken? Da ist noch vieles ungeklärt, aber man kann ja der Evolution auch nicht vorschreiben, wie sie zu wirken habe. Vielleicht befinden wir uns ja in einer Phase eines sog. unterbrochenen Gleichgewichts und der „neue Mensch“ ist schon am Werden? Wenn dem so sein sollte, hoffen wir, dass der „alte Mensch“ ihm nicht die Voraussetzungen raubt.

Wie auch immer. - Ich möchte zum Jahreschluss aber etwas humorvoll enden und sage: Nicht nur die Karawane zieht weiter, weil der Sultan Durst hat, sondern auch die Evolution weil das Leben am Ende doch mächtiger ist als der Tod.

Auch wenn ich wüsste, dass die Welt morgen untergeht, würde ich heute noch einen Bembel bestellen, denn der enthält Äppelvoi (Apfelwein), was Apfelbäume voraussetzt – alternativ tut es auch ein Calvados.

Ich wünsche allen einen guten Rutsch ins neue Jahr! Nach dem Motto "Schlimmer geht`s nimmer" kann es nur besser werden.

Gruss
Egon de Neidels




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