Nachdenken über Religion


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Abgeschickt von Peter Nienann am 10 August, 2011 um 14:59:34

Die Kernfrage aller Religionen lautet: Gibt es etwas Höheres als das, was wir sind ?
Die Religionen beantworten die Frage mit einem eindeutigen Ja. Dafür gibt es schwerwiegende sachliche Argumente. Es gibt aber auch schwerwiegende Gegenargumente. Um trotzdem das Ja wirkungsmächtig vertreten zu können, greifen die Religionen auf Geschichten aus weit zurückliegender Zeit zurück, die in Heiligen Büchern aufgeschrieben sind. Die Kernfrage dort lautet:
Hat jemals ein Mensch eine wie auch immer geartete Verbindung zu einer uns übergeordneten Wesenheit gehabt ?
Die Religionen beantworten die Frage mit einem eindeutigen Ja.
Der Agnostiker antwortet: Wir können es nicht ausschließen, weil wir wegen unserer begrenzten Erfahrungsmöglichkeiten und eines endlichen Erkenntnisvermögens n i c h t s vollständig ausschließen können. Aber es ist - aller menschlichen Erfahrung nach - extrem unwahrscheinlich.

Die Antwort auf die Eingangsfrage wird dadurch nicht berührt. Jedoch muß angemerkt werden, daß sich die Antwort der Religionen nicht nur auf "etwas Höheres" bezieht - das könnte ja auch ein irgendwo existierender höherentwickelter Mensch sein - sondern auf "Das Höchste". Man geht also - menschlichen Hierarchie- und Kausalitätsdenkgewohnheiten folgend - mit großer Selbstverständlichkeit davon aus, daß es etwas "Höchstes" geben muß.

Den Standpunkt, die Eingangsfrage könne einer rationalen Argumentation nicht unterzogen werden, da es sich hier um Tatbestände handelt, die mit den uns zur Verfügung stehenden Worten, Begriffen und bildhaften Vorstellungen nicht mehr erfaßbar sind - das sagt auch HvD - kann ich akzeptieren. Jedoch läßt sich mit diesem Argument auch jeder erfundene Unsinn begründen. Auch mit dem Argument, man könne das Gegenteil nicht beweisen, läßt sich jeder erfundene Unsinn begründen.

Den Standpunkt, die Antwort auf die Eingangsfrage sei so selbstverständlich, daß sie keiner Erörterung bedarf, kann ich dagegen nicht akzeptieren. Denn wir müssen doch wohl - ob wir wollen oder nicht - zumindest mit der Möglichkeit rechnen, daß es einen Gott garnicht gibt und daß der Mensch das Höchste ist, das die Evolution bisher hervorgebracht hat . . . ?

Eine freie religiöse Anschauung, die dem Grundsatz folgt "Du sollst Dir kein Bild machen und auch kein Wort" ist von einer agnostischen garnicht so sehr weit entfernt. Oft wird der Agnostiker dem Atheisten fast gleichgestellt. Zu Unrecht. Der unglückliche Terminus "Agnostizismus" suggeriert eine Extremposition, die, im Gegensatz zu vielen anderen Ismüssen, gerade hier garnicht vorliegt.

Aber ich will hier nicht den Schlichter spielen. Das überlasse ich Heiner Geißler. Er schreibt in seinem Buch "Ou Topos" auf Seite 49: "Es ist nicht wesentlich, ob die Existenz Gottes objektiv wahr ist, sondern ob sie für den Menschen von Bedeutung ist."

Ich glaube, daß der vollständige Verzicht auf jede letzte Aussage die realistischste Anschauung ist, die ein Mensch haben kann. Sie zu erwerben ist garnicht so leicht, da man nun auch vermeiden muß, eben dies als letzte Aussage anzusehen.

Peter Niemann , 10178 Berlin.



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