Re: Hirnforschung / Freier Wille


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Abgeschickt von Heinz Boente am 08 August, 2005 um 22:16:34

Antwort auf: Re: Hirnforschung / Freier Wille von Walter Keil am 08 August, 2005 um 14:17:22:

Hallo Herr Keil, liebe Diskussionsteilnehmer,

ja, ich freue mich selber auch, daß es mir nun endlich gelungen ist, das Forum wieder zu aktivieren (lange genug hat's ja gedauert, tut mir leid). Ich hoffe, die zusätzliche Code-Eingabe verhindert jetzt ein für allemal, daß wieder irgendein dämlicher Spammer unsere Diskussionen zumüllt.

Zum Thema:

Ich sehe die Willensfreiheit so ähnlich wie Sie, Herr Keil, nämlich als relativ. Deshalb habe ich auch den Satz von Schopenhauer zitiert. Aus meinem eigenen, individuellen Blickwinkel habe ich zunächst tatsächlich einen freien Willen ("ich will jetzt diesen Beitrag schreiben"). Aber das, was ich überhaupt wollen kann, wird von einer Vielzahl von Faktoren bestimmt, die sich sicherlich dazu noch in einem nahezu unentwirrbaren Geflecht von Beziehungen gegenseitig beeinflussen. Dazu gehört nicht nur die biologische Konstitution des Menschen als Fundament, sondern natürlich auch die Erziehung, das soziale Umfeld, das erworbene Wissen, die eigene Erfahrung usw. bis hin zur augenblicklichen persönlichen Beschaffenheit (stark vereinfacht: wenn ich kurz vor dem Verhungern bin, werde ich sicher keinen Forumsbeitrag schreiben wollen können). Auch kann ich nur das wollen, was ich kenne (wenn ich nicht wüßte, daß es dieses Forum gibt, könnte ich auch keinen Beitrag schreiben wollen).

HvD hat all das bekanntermaßen in seinem Buch "Der Geist fiel nicht vom Himmel" ausführlich erläutert.

Allerdings glaube ich nicht, daß es uns Diskussionsteilnehmern gelingen wird, die Frage nach der Willensfreiheit für alle befriedigend zu beantworten - das meine ich weder resignierend, noch möchte ich dadurch unsere Diskussion abwürgen! Ich bin aber davon überzeugt, daß die Frage nach der Willensfreiheit des Menschen untrennbar mit der Frage nach dem eigenen Sein verknüpft ist, denn selbst wenn ein Hirnforscher mein Gehirn bis zum allerletzten Atom auseinandernähme, und selbst wenn man alle möglichen Verflechtungen aller vorhandenen Neuronen aufgekärt hätte, und wenn dann noch Verhaltensforscher, Theologen, Philosophen, Kriminologen und sonstige Experten hinzugezogen und diese Atome samit ihrer Beziehungen untereinander aus dem Blickwinkel ihres eigenen Fachgebietes interpretieren würden, so könnte die ganze Gruppe mit ihrer geballten Kenntnis sicher doch nicht daraus schließen, das dieses Gehirn mal MEIN Denkorgan gewesen ist (ich schreibe "gewesen ist", weil ich hoffe, daß all das erst nach meinem Tod passiert). Und genauso, wie sich mein ICH überhaupt nur unter der Voraussetzung meiner physischen und psychischen Beschaffenheit manifestieren kann, so kann ich zu einem gegebenen Zeitpunkt auch nur wollen, was aufgrund dieser beiden Gegebenheiten möglich ist. Dieses Wollen aber, so glaube ich, ist dann innerhalb des gerade abgesteckten Rahmens wirklich frei. Dazu noch ein Beispiel, das mir gerade einfällt (wieso wohl?): als Raucher weiß ich - spätestens seit es dick und fett auf meiner Tabaksdose steht -, daß Nikotin schädlich ist, trotzdem will ich mir jetzt eine Pfeife anzünden. Ich könnte auch wollen, sie auszulassen, aber da stellt sich mir mein Trieb in den Weg.... mein Trieb, der es "gut mit mir meint" und mir doch nur körperliches Unbehagen ersparen will. Mit anderen Worten: da ist etwas in meinem Gehirn (also eine augenblickliche individuelle Gegebenheit, die ein Nichtraucher beispielsweise überhaupt nicht kennt), das - völlig wertfrei betrachtet - meinen freien Willen direkt beeinflußt.

Ich meine, die vielfältigen und bereits seit Jahrtausenden andauernden Diskussionen über die Willensfreiheit des Menschen hängen deshalb tatsächlich nur von den unterschiedlichen Betrachtungsweisen ab: jeder nähert sich diesem Thema aus einer anderen Ecke und kommt demzufolge auch zu einem anderen Ergebnis. Hirnforscher alleine werden die Willensfreiheit bzw. Willensunfreiheit genausowenig erklären können wie Philosophen und Theologen und Psychologen und, und, und. Jedenfalls so lange nicht, bis die Frage nach der Individualität des Menschen beantwortet ist.

Mir gefällt folgender Satz ausgesprochen gut, der als letzter auf der von Herrn Baltrusch empfohlenen Webseite steht, Zitat: "...auch eine Fuge von Bach verliert nichts von ihrer Faszination, wenn man genau verstanden hat, wie sie aufgebaut ist. Die Hirnforschung wird klar unterscheiden müssen, was sie sagen kann und was außerhalb ihres Zuständigkeitsbereichs liegt, so wie die Musikwissenschaft - um bei diesem Beispiel zu bleiben - zu Bachs Fuge Einiges zu sagen hat, zur Erklärung ihrer einzigartigen Schönheit aber schweigen muss."

Gruß
HB



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