Re: "Zur Zusammenbruchskrise des Kapitalismus"


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Abgeschickt von Walter Keil am 21 Juni, 2009 um 00:06:40

Antwort auf: von Halil Güvenis am 19 Mai, 2009 um 16:45:30:

Hallo Herr Güvenis,
eine respektable Analyse legen Sie da vor.
Deren Wert sicherlich nach traditionellem Wirtschaftsverständnis gegeben ist.

Entschuldigen Sie aber, dass ich diese wirklich professionelle Analyse auch nicht als sehr hilfreich ansehe, obwohl sie ja wirksame Tendenzen erklärt.
Aber warum ist das so ?

Alles Wirtschaften kann nicht isoliert von der Sphäre des Lebens, also von den Bedürfnissen des Lebens, und so von der gesamten Biosphäre, betrachtet werden kann.
Alle Denk- und Handlungskategorien sind miteinander verflochten und gerade in Zeiten der Krise oder gar des Crashs (=Zusammenbruchskrise) muss man sehr tief an die Wurzeln gehen und diese in eine globale Betrachtung mit einbeziehen.
(Ähnliches wird für die kommende Religionskrise/Geisteskrise gelten.)

Also ran an die Wurzeln:
In Ihrer Analyse ist es zunächst mal egal was für Leistungen erbracht werden.
Eine volkswirtschaftliche Gesamtrechnung fasst alle erbrachten Leistungen für die man einen
Geldwert angeben kann zusammen. Das ergibt das Bruttosozialprodukt, die Summe der bewerteten Produktion von Gütern und Dienstleistungen.

Hier liegt aber ein Problem begraben:
Ein Qualitätsproblem und das Entwicklungsproblem.

Wenn z. Bsp. in der Landwirtschaft der Boden und die allgemeine Flora und Fauna beschädigt werden, weil kurzfristig erfolgreiche Monokultur und Intensiv-Landwirtschaft der natürlichen Bodenerholung vorgezogen werden, wird auf weite Sicht ein Niedergang erzeugt. Produktionsmenge und Qualität werden langfristig nicht gehalten werden können, weil die natürlichen Regenerationsvorgänge durch Mikro-Organismen nicht ausreichend beachtet werden. Das Land, bzw. der Boden, wird verbraucht. Folge: Niedergang wegen Dummheit.
(Alle Menschen müssen essen.)

Qualitätsproblem in der allgemeinen Produktion:
Wenn aufgrund von Verführung über Instinkte (Werbung) Produkte massenhaft verkauft werden, die in der gesellschaftlichen Notwendigkeit nicht vorrangig sind (z.Bsp. zu teure, zu große und zu schnelle Autos/Luxus-Motorräder/Luxus-Boote/Luxus-Häuser/ Luxus-Reisen) wird gesellschaftliche Arbeitsleistung von sinnvollen Projekten abgezogen, wie Bildung, Wohnungsbau, alternative Energien, soziale Sicherung und soziale Projekte.

Mal schnell ein Beispiel im Kleinen: der Bauer bestellt sein Feld nur zur Hälfte und bastelt aber immer auch zeitaufwendig an Pfeil und Bogen für sein Vergnügen im Wirtshaus. Ihm geht es gut, die Oma kriegt aber kein neues Gebiss und für den Sohn gibt es kein Gymnasium. Diese Familie hat eine schlechte Zukunftsprognose – eine schlechte Entwicklungsmethode. So etwa lebt unsere Gesellschaft.

Wenn also Grund-Bedürfnisse nicht mehr ausreichend befriedigt werden, die Entwicklung von Bildung und Kultur vernachlässigt wird, sinkt die Leistungsfähigkeit und Leistungsbereitschaft der Bevölkerung, vor allem bei den einfachen Leuten. Sie aber ist das Potential.
Folge Niedergang wegen Naivität/Dummheit (Analogie zur Landwirtschaft, der Boden der Gesellschaft wurde vernachlässigt)
(Alle Mensch können plötzlich durchs soziale Netz fallen.)

Das Entwicklungsproblem:
a) im Finanzbereich:
Tendenziell, so behaupte ich, ziehen große Kapitalien alle kleinen Kapitalien langfristig an sich.
Ein Beispiel mit Zinseszinsrechnung:

5000 € angelegt zu 4% ergeben nach 7Jahren: 6.579,66 € (Zuwachs 1579,66 € = 31,59%)

50 000 € ergeben zu gleichen Bedingungen: 65.796,59 € (Zuwachs 15796,59 € =31,59%)

Da die Gesellschaft einem finanziellen Wettbewerb unterliegt, der über Geldströme erfolgt, ist abzusehen, dass irgendwann einmal, im Rahmen von Zinseinkünften, die Kapitalien sich auf wenige konzentrieren. Abgeschwächt wird dieser Prozess durch Lohneinkünfte und manche Unternehmergewinne , aber nicht grundsätzlich aufgehalten. Da Lohneinkünfte mit persönlichen Fähigkeiten, gewähltem Beruf und etwas Glück, wie Sonderkonjunkturen zusammenhängen, erscheint hier auch für sozial Unterlegene eine Aufstiegschance.
So kann, der einfache ungelernte Arbeiter mit Cleverness ein kleines Unternehmen gründen und größere Erfolge haben, oder als Profi-Sportler oder Popmusiker gut verdienen oder gar als Schlägertyp mit Knarre eine Autoschieber-Bande anführen oder andere illegale Erfolge verbuchen.
Aber die neuere Geschichte lehrt uns, dass die große Entwicklung der Besitzverhältnisse an Kapital und Gütern sich ständig konzentriert und offenbar nicht aufzuhalten ist !!!

Die Macht der Investoren, also der Kapitaleigner (meist Aktienbesitzer) ist gewachsen und gewachsen. Die Politik hat Marx und Engels als überholte Denker beiseite gelegt und die Konzentrationsprozesse unter den Firmen als unbedenklich eingestuft.
Die Ausgaben für Bildung sind weltweit nicht mit dem Bruttosozialprodukt mit gewachsen, also prozentual gefallen. Da hat keine Partei eine weiße Weste.
Der gesamten Gesellschaft wird klar, dass eine überschaubare Gruppe an „Unantastbaren“
(oft als Elite der Wirtschaft und der Politik bezeichnet) letztlich die gesamte Bevölkerung, mit Hilfe der eingefärbten Medien, in diese missliche Lage gebracht hat.
(Medien sind auch abhängig)

Für genau diese gesellschaftlichen Tendenzen, so glaube ich, gibt es auch keine wirkliche Lösung, im Sinne eines einfachen Systemvorschlages, wie Sozialismus oder Kapitalismus.
Die Lösung liegt auch nicht allein in Beachtung bestimmter volkswirtschaftlicher Zahlen, wie
Investitionsrate, Sparrate, Inflationsrate. Die haben zwar auch ihre Bedeutung, aber wesentlich ist:
„die Qualität des Entwicklungsprozesses“ einer Bevölkerung und die allgem.
ökologische Zielrichtung.
So heißt das Zauberwort für alle Prozesse: Nachhaltigkeit zuerst !

Und Nachhaltigkeit erfordert zu aller erst einmal: ein neues solidarisches Bewusstsein !
Und somit steht die Frage im Mittelpunkt: Was ist Leben eigentlich ?

Liebe Grüße
und danke für Ihren Beitrag, den ich gern früher beantwortet hätte.

Walter Keil

meine evolutionsphilosophische website: www.walterkeil.de




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