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Abgeschickt von Halil Güvenis am 24 Juni, 2009 um 17:24:54

Antwort auf: Re: von Walter Keil am 21 Juni, 2009 um 00:06:40:

Hallo Herr Keil,

entschuldigen Sie bitte, dass ich auf Ihr Schreiben so spät antworte; ich war auf einer längeren Reise.

: eine respektable Analyse legen Sie da vor.
: Deren Wert sicherlich nach traditionellem Wirtschaftsverständnis gegeben ist.

Ich weiß nicht, ob der Wert meiner Analyse nach traditionellem Wirtschaftsverständnis gegeben ist; das wird sich noch zeigen. Das traditionelle Wirtschaftsverständnis interessiert sich bekanntlich wenig für langfristige Entwicklungen. Zudem stellt meine Analyse das kapitalistische System grundsätzlich in Frage; auch dieser Punkt dürfte auf wenig Interesse stoßen.

Ich möchte aber in diesem Zusammenhang mitteilen, dass ich die Urform meiner Arbeit schon 1987 unter dem Titel „Zur Zusammenbruchstheorie von Rosa Luxemburg“ Hoimar von Ditfurth zur Beurteilung vorgelegt habe. Sie sollte meine erste These über eine mögliche Wirtschaftskrise untermauern. Meine Argumentation hatte aber zu diesem Zeitpunkt noch nicht die Reife der vorliegenden Arbeit erreicht, so dass HvD meine erste These nicht für beachtenswert hielt.

: Entschuldigen Sie aber, dass ich diese wirklich professionelle Analyse auch nicht als sehr hilfreich ansehe, obwohl sie ja wirksame Tendenzen erklärt.
: Aber warum ist das so ?

: Alles Wirtschaften kann nicht isoliert von der Sphäre des Lebens, also von den Bedürfnissen des Lebens, und so von der gesamten Biosphäre, betrachtet werden kann.
: Alle Denk- und Handlungskategorien sind miteinander verflochten und gerade in Zeiten der Krise oder gar des Crashs (=Zusammenbruchskrise) muss man sehr tief an die Wurzeln gehen und diese in eine globale Betrachtung mit einbeziehen.
: (Ähnliches wird für die kommende Religionskrise/Geisteskrise gelten.)

Ihr Einwand gegen meine Analyse bezieht sich auf den Grundzug jedes wissenschaftlichen Vorgehens. Sie behaupten im Grunde, dass alles mit allem in Verbindung steht und diesem Umstand durch eine „globale Betrachtung“ Genüge geleistet werden muss. – Wenn Ihre These so pauschal richtig sein würde, dann hätte es nicht einmal Newton geschafft, die klassische Mechanik auf die Beine zu stellen. Wie Sie sicher wissen, konnte er seine Mechanik nur dadurch formulieren, indem er von Ursachen der Kräfte absah und sie nur durch mathematische Funktionen beschrieb. Seine Gegner kritisierten ihn, dass er keinen Wirkungsmechanismus für die Kräfte angebe. Newton antwortete darauf, dass er diese „globale Betrachtung“ nicht brauche, um die Mechanik zu formulieren. Wenn seine Gegner die Mechanik auf eine höhere Entwicklungsstufe stellen wollen, dann sollen sie bitte schön diese Ursachen selber finden.

So verhält es sich auch mit meiner wirtschaftlichen Analyse. Da ich mich nur für das Langzeitverhalten der Wirtschaftsentwicklung in BRD, Japan und USA interessiere, brauche ich nicht einmal alle wirtschaftlichen Größen einzuführen. Spar- und Nettoinvestitionsquote reichen mir vollkommen aus, um zu einem brauchbaren Ergebnis zu kommen. Der einzige Variable, der in dem betrachteten Zeitraum sich wesentlich verändert, ist die Produktivität. Ich frage also: Was geschieht mit der Spar- und Nettoinvestitionsquote, wenn die Produktivität beständig steigt? Meine statistisch-mathematische Analyse liefert die Antwort: Der Kapitalismus vernichtet sich selbst, indem er durch Produktivitätssteigerung die Spar- und Nettoinvestitionsquote im historischen Maßstab negativ werden lässt. Der Zusammenbruch steht unmittelbar bevor und wird im nächsten Jahrzehnt abgeschlossen sein.

Ihre weiterführenden Fragen nach ökologischer Nachhaltigkeit und solidarischem Bewusstsein sind allerdings berechtigt, Herr Keil! Eine Antwort auf diese Fragen kann man sehr wohl erhalten. – Aber erst im Zusammenhang mit dem neuen Wirtschaftssystem, das an die Stelle des alten treten muss. Solange aber das alte, kranke System auf dem Sterbebett liegt, werden Sie es nicht schaffen, Ihren Forderungen Gehör zu verschaffen. Das sehen Sie auch daran, dass seit Akutwerden der Weltwirtschaftskrise fast keine Regierung mehr auf den Klimawandel anzusprechen ist und alle finanziellen Mittel für die wirtschaftliche Rettung mobilisiert werden.

Herzliche Grüße aus Istanbul

Halil Güvenis





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