Re: Thomas Metzinger: Der Ego-Tunnel


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Abgeschickt von Henry Grimmer am 20 November, 2009 um 13:41:58

Antwort auf: Re: Thomas Metzinger: Der Ego-Tunnel von Klemens Taplan am 17 Oktober, 2009 um 20:32:33:

Herr Taplan, und doch auf ein Neues!

Wir konnte ich mich so leicht schwankend machen lassen! Aber noch sind die Fahnen nicht gestrichen, das ICH erhebt sein Haupt! Frei nach Shakespeare: „ Mag es auch flüchtig sein, so hat es doch Methode!“. Warum sollte es nicht mit dem Bewusstsein identisch sein? Es gibt doch keinen Zweifel, dass ich mir bewusst bin und ich werde mir doch zum Teufel nicht einreden lassen, es wäre eine Illusion, und wenn´s paradox wird, so darf ich darauf hinweisen, dass ein Paradoxon nur ein scheinbarer Widerspruch ist, man muss nur die Ebene wechseln, um Paradoxa auf zu lösen.

Ehrlich gesagt, was ist eigentlich so entsetzlich daran, dass wir möglicher Weise ein Abbild der Welt erstellen? Wir erstellen ein Konstrukt? Wir sind doch Teil der Welt, so falsch kann unser Konstrukt nicht sein. Wovon reden wir eigentlich – sind Sie mein Konstrukt oder ich Ihres? Was sind Sie, der Sie sich doch in meinem Gehirn befinden, tausche ich Gedanken mit mir selbst aus? Sie sagen es ja, es muss was dran sein an der Art, wie wir die Welt interpretieren, sonst gäbe es uns nicht. Nein, ich bin davon überzeugt, dass die Welt so ist, wie wir sie wahrnehmen – soweit wir sie wahrnehmen, und das, was wir nicht wahrnehmen ist nicht etwas prinzipiell anderes, sondern einfach unseren Sinnen nicht zugänglich, na, wenn schon!

Was mich schon irritiert ist, dass ein ganzheitliches Weltbild eingefordert wird, aber wenn es dann tatsächlich um den Versuch geht, die Naturwissenschaften einzubeziehen, kommt prompt Ablehnung bzw starke Einschränkung (siehe H. Keil, H. Pfeifers). Auch deshalb:

Die Messergebnisse z. B. der Hirnforschung sind sicher nicht anzuzweifeln, aber es muss doch die Frage gestattet sein, WAS denn eigentlich gemessen wird und ob die Grundlage der Messergebnisse – Hirntätigkeit – wirklich die Grundlage unseres Bewusstseins, oder ob die Hirntätigkeit nicht viel mehr Folge eines tieferen Geschehens ist. Selbstverständlich reicht es für den Alltag, wenn ich weiß, das Azoren-Tief Erna sorgt für den Regen in Gelsenkirchen, und wenn ich dabei nass werde, sorgt mich Tief Erna schon mal mit vollem Recht gar nicht. Nur denke ich schon, dass eigentlich jeder wissen kann und wissen sollte, dass unser Wetter durch die Kernprozesse in der Sonne angetrieben wird, dass also die eigentliche Ursache ein quantenmechanischer Prozess ist. Zu meinen, es reiche aus, zu wissen, dass ein Tief Regen bringt, erinnert schon sehr an ein elitäres „Mehr muss man nicht wissen“. Und wenn wir über unser Bewusstsein reden, dürfen wir nicht bei der Neurologie stehen bleiben, wenn ein möglicher Weg zu tieferem Verständnis aufgezeigt wird, gerade auch, weil es unser Selbstverständnis betrifft, ob wir frei handeln können oder nicht. Etwas Radikaleres als die bewiesene Erkenntnis, dass wir keinen eigenen Willen und kein Ich besitzen, dass WIR nicht SIND, könnte ich mir nicht vorstellen. Man kann nach meinem Dafürhalten die Messungen, die uns zeigen, dass das Gehirn unter Umständen früher reagiert, als wir es bewusst könnten, auch anders interpretieren, als damit, wir wären nicht „Herr im eigenen Hause“, nämlich dahin gehend, dass wir uns auf Bekanntes verlassen, wenn wir in unserer Welt agieren, dass wir in sogar in weiterem Sinne „Herr im eigenen Hause“ sind. Die Zeit, die vergeht, bis wir in einer Gefahrensituation z . B. reagieren, könnte die berühmte Zehntelsekunde zu spät sein. Wir sind nicht auf der Welt, um in spitzfindigen Laborexperimenten genasführt zu werden, diese Situationen sind in gewisser Weise künstlich, wenn sie uns aber natürlich auch Einblick in die Prozesse unseres Denkens geben.

A pro Pos „Herr im eigenen Hause“, Zitat Herr de Neidels, das Zitat ist nicht einmal die Hälfte der Wahrheit, Sigmund Freud hat (nicht als erster) erkannt, dass der Mensch auch von unbewussten Motivationen geleitet wird, aber er hat seine Psychoanalyse entwickelt, um ihn wieder „Herr im Hause“ werden zu lassen, „Erkenne dich selbst“, ein unbedingtes Votum für die Freiheit des Menschen auch in seinem Denken. Da liegt es doch, im Erkennen aller inneren und äußeren Einflüsse, dieses Erkennen „lässt Elend nicht zu hohen Jahren kommen“. Die Tatsache, dass das Bewusstsein beeinflusst werden kann beweist doch nicht, dass es nicht einen „reinen“ Zustand gibt, den anzustreben unser Ziel sein sollte. (Voll Demut in etwas Größeren zu versinken – dazu hätte die Psychoanalyse auch etwas zu erzählen, wenn mir die kleine Spitze gestattet ist). Ich halte es für eine sinnlose Diskussion, ob wir nun Illusion sind oder nicht; wenn mir ein Stein auf den Kopf fällt, ist das unangenehm, Illusion hin oder her.

Zur Veranschaulichung der Krümmung des Raumes wird als Analogie gern die Oberfläche einer Kugel herangezogen Die Aussage, die Oberfläche einer Kugel sei gekrümmt, ist erst einmal banal, denn wäre sie nicht gekrümmt, hätten wir es nicht mit einer Kugel zu tun (mal alle anderen Körper mit gekrümmten Oberflächen außer Acht gelassen). Weniger banal ist meines Erachtens, dass wir gewöhnlich nicht über diese oder jene Kugel und ihre Oberfläche reden, sondern in abstrakter Weise über Oberflächenkrümmungen, so, als ob man die Krümmung ohne die Kugel haben könnte. Das ist insofern nicht banal, als es Krümmungen ohne Kugeln nicht gibt (es sei denn, man hinge der Ideenlehre an). Das heißt, diese konkrete Kugel, die ich hier in der Hand habe, ist mein Anschauungsobjekt, nicht irgendein ein mathematisches oder grammatikalisches Konstrukt; und die Krümmung ihrer Oberfläche ist eine unabdingbare Eigenschaft der Kugel selbst. Und die Analogie zum gekrümmten Raum a la Einstein ist keine abstrakte Analogie, sondern eine ganz konkrete, ich kann die Krümmung des Raumes nicht ohne Raum haben, sie ist eine unabdingbare Eigenschaft des Raumes selbst, und Krümmung heißt hier: Gravitation. Der Raum ist nicht etwa im metaphorischen Sinne von der Bühne allen Geschehens zu einem Handlungsträger geworden, er ist es seit Einstein ganz konkret. Wenn es gelingt, die Gravitation mit den anderen drei Naturkräften zu vereinigen (woran ich nicht zweifele), ist das der Beweis dafür, dass wir Teil des Kosmos in wirklichem Sinne sind.

Nach meinem Dafürhalten diskutieren wir immer noch so, als ob die Welt uns gegenüber gestellt wäre (Subjekt – Objekt), wir sollten aber verinnerlichen, das es dieses „Gegenüber“ gar nicht gibt, sondern dass unsere Schau der Welt eine unendliche Spiegelung ist, wir spiegeln sie und sie uns ad infinitum. Was sicherlich irritierend sein könnte ist, dass wir mit riesigen Geräten (siehe CERN) auf die Suche nach dem Kleinsten sind, soweit es die Struktur des Kosmos betrifft, wir sind aber Teil des Kosmos und somit sind wir auch auf der Suche nach unserer eigenen Struktur. Ich halte es nicht für einen Zirkelschluss, wenn wir die Hirnfunktionen sich selbst untersuchen lassen., es ist eher eine Spirale als ein Kreis.

Ich möchte dennoch der Ansicht widersprechen, die Quantenmechanik würde ob ihrer Unbestimmtheit (wohlgemerkt deshalb, nicht prinzipiell) zur Freiheit des Willens beitragen. Ich denke, hier wird die Willkür des Zufalls mit Freiheit verwechselt. Im Übrigen, ich hatte es schon mal angedeutet, ist die Quantenwelt zwar nicht im klassischen Sinne determiniert, wohl aber durch die Wellenfunktion, die bestimmt, mit welcher Wahrscheinlichkeit ein Ereignis eintreten wird, die Dekohärenz sorgt dafür, dass wir nicht in einem unbestimmten Universum leben. Das dynamische Geflecht von Ereignissen ist das eigentliche Geschehen, Doppelspaltexperimente z. B. sind aber ganz extrem eingeschränkte Laborexperimente (siehe oben), sie zeigen die Welt in einem Licht, wie sie so im gesamten Kosmos in natürlicher Form nirgends (mehr) existiert, sie geben Hinweise auf einen möglichen Urzustand.

Zum Abschluss muss ich gestehen: Ich finde es äußerst bedauerlich, dass wir mit all unseren großartigen Fähigkeiten nicht in der Lage sind, den Sturz in den Abgrund zu verhindern; so gesehen wäre es doch



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