Kreationistische Entgleisungen


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Abgeschickt von Egon de Neidels am 17 Mai, 2007 um 16:29:42:


Hallo Herr Boente und alle Forumsteilnehmer,

nach längerer Zeit schreibe ich mal wieder einen kleinen Beitrag in dieses Forum. Als Anlass diente mir die „Kritik“ des Günther Stark an Prof. Dr. Hoimar von Ditfurth, dass treffend von Ihnen, lieber Herr Boente, rezensiert wurde.

http://www.hbglweb.de/forum/messages/265.html

Ich möchte dazu nichts weiter schreiben, denn ich habe das Buch weder erworben noch gelesen. Ich werde es auch nicht erwerben und lesen, denn wer sich in solch widerlichen ad hominems gegen HvD ergeht (das ist in der Rezension klar ersichtlich), wie es Herr Stark macht, dürfte ohnehin nur wenig Sachliches, aber viel unredlich Polemisches zu bieten haben. Mit Herrn Stark hätte man sich ja vielleicht noch unterhalten können – mit seinen Leidenschaften aber besser nicht. Die Trennung von beidem ist ihm leider misslungen.

Als ich aber diese Forumsbeiträge las, fiel mir spontan ein anderer Kritiker ein, der seine Kritik aber nicht in offenen ad hominems äußerte, sondern dieses – wie er meint – durch das sog. Buch der Bücher tun zu können. Gemeint ist die Bibel und der bekannte Kreationist und evangelikale Prediger Prof. Dr. Werner Gitt.

Hier

http://www.sermon-online.de/search.pl?lang=de&id=7488&title=&biblevers=&searchstring=&author=0&language=0&category=0&play=0&tm=2

ist ein kleines Buch downloadbar mit dem fragenden Titel „Schuf Gott durch Evolution?“ Darin finden sich die üblichen Argumente der Kreationisten in ihrer Ablehnung der Evolution, auf die ich hier nicht eingehen möchte, zumal sie alle bereits durch viele Naturwissenschaftler und natürlich auch schon von HvD selber ad absurdum geführt wurden. Aber es geht um mehr: In unserem Kontext betrachtet, fällt bei der Lektüre dieses bibelfrommen Traktates eines Menschen, der die sog. Heilige Schrift nahezu ausnahmslos nur wörtlich verstanden haben möchte, das Zitieren von HvD-Texten auf. Da beklagt sich Gitt auf Seite 100:

„Die biblisch bezeugten Geschehnisse werden zu mythischen Sprachbildern verzerrt und der wort- und sinngetreue Umgang mit der Botschaft der Bibel wird geradezu als Greuel und Aberglaube empfunden. In diesem Sinne schreibt H. von Ditfurth (aus „Wir sind nicht nur von dieser Welt“, S. 295-296): „Die wörtliche Bedeutung der mythischen Sprachbilder, mit denen die Theologen ihre Botschaft weitergeben, hatte mit dem Inhalt der Botschaft von allem Anfang an am allerwenigsten zu tun.....““.

Nachdem andere Vertreter einer sog. theistischen Evolution kurz namentlich genannt wurden – darunter auch der kürzlich verstorbene Carl-Friedrich von Weizsäcker – kommt dann das vernichtende Urteil von Gitt auf Seite 101:

„Das Festhalten an den Gedankengängen an die theistische Evolutionslehre führt zur Preisgabe zentraler biblischer Aussagen und damit zum Ungehorsam gegenüber Gott.“

Es folgen zwei Bibelzitate ( 1. Sam. 15, 23 und Apg. 13, 46), die Gitt aus den jeweiligen historischen und mythologischen Kontexten willkürlich herausnimmt im Versuch, den eigenen Standpunkt biblisch zu untermauern.

Wir halten fest, der Kreationist sagt: HvD war ungehorsam gegenüber Gott.

Aber es kommt noch schlimmer. Auf Seite 103 klagt HvD Gott auch noch „in völliger Selbstüberschätzung“ an. Und auf Seite 120 können wir dann endlich lesen, das HvD und andere „Wölfe ins Schafskleidern“ sind, schlimmer noch als Atheisten.

Nun ist gegen evangelikale „Erbauungsliteratur“ nicht zu sagen. Es möge schließlich jeder nach seiner Facon selig werden, wie es schon Friedericus Rex trefflich sagte und vielen verfolgten Hugenotten Zuflucht gab. Wenn jemand wie Gitt glaubt, alle Gestirne und kosmischen Phänomene seien erst nach Erschaffung der Erde am vierten Schöpfungstag entstanden, Adam und Eva seien die ersten Menschen gewesen, alles Übel rühre von einem Fruchtdiebstahl in einem Paradies her, Gott habe Josua geholfen, indem er mal eben die Erdrotation gestoppt habe, ein Esel habe Hebräisch gesprochen, u.v.m., so möge er das tun und damit hoffentlich glückselig werden. Der Bogen wird m.E. aber überspannt, wenn im Namen der eigenen Bibelsichtweise verdienten Wissenschaftlern auf fast schon inquisitorische Urteilsweise der Glauben abgesprochen wird und sie obendrein noch als gefährliche Irrlehrer diffamiert werden. Woher denn will ein Gitt wissen, ob seine Sichtweise die einzig richtige Deutung ist? Hatte er eine Privatoffenbarung? Und woher nimmt dieser Mensch die religiöse Arroganz, andere Sichtweisen als glaubensdestruktiv zu brandmarken? Es sieht so aus, als ob diesem und anderen ins gleiche Horn blasenden Herren eine nicht unwichtige christliche Tugend abhanden gekommen ist: Bescheidenheit! Jesus hat nie eine Partei gegründet, die in verbissenem Kampf ideologische Doktrin zu verteidigen hätte. Er sprach nicht einmal von Christen – diese Bezeichnung kam erst viel später zustande. Von Sanftmütigen hat er geredet, von der Pflicht zur Vergebung und von Feindesliebe. Und er hat ausdrücklich in einem Gleichnis die Samariter (eine damals verketzerte Gruppe von Gläubigen) gelobt und gleichzeitig jene getadelt, die damals dachten, die einzig wahren Schrifthüter zu sein. Und das m.E. Wichtigste, was wir ihm verdanken, ist die immer aktuelle Belehrung, nicht Gesetze oder Regeln über die Menschlichkeit zu stellen – Gebote, so lehrte er, sind für den Menschen da und nicht der Mensch für die Gebote. Das wurde ihm bekanntlich zum Verhängnis.

Ich selber bin kein Christ und ob ich sanftmütig bin, können nur andere beurteilen. Die Bibel sehe ich ähnlich, wie es HvD tat: Nicht als Wort Gottes – denn dieses wäre ja dem Glauben nach auch Jesus selber – sondern als unvollständige Sammlung oft tiefgehender Weisheiten, die in Lehrerzählungen gekleidet sind, denn (z.B.) einen Krieg gegen Jericho mit mauerzerstörendem Posaunengeschmetter hat es allem Anschein nach nie gegeben, wie uns der Archäologe Finkelstein aufgezeigt hat. Es verhält sich allerdings bei manchen so, wie HvD im Zitat durch Gitt schrieb (S. 100): „Wenn mythologische Aussagen aber auf ihren bloßen Wortsinn reduziert werden, dann gerinnen sie zum Aberglauben.“ Gitt hat es gelesen – erkannt hat er es nicht.

Mit freundlichen Grüßen
Ihr

Egon de Neidels




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