Re: Der Beginn des Universums-Zufall oder Absicht?


[ Antworten ] [ Ihre Antwort ] [ Forum www.hbgl.net ]

Abgeschickt von Heinz Boente am 18 Januar, 2008 um 15:13:04

Antwort auf: Der Beginn des Universums-Zufall oder Absicht? von Helmut Pfeifer am 17 Januar, 2008 um 14:12:29:

Lieber Herr Pfeifer, liebe Forumsbesucher,

zunächst einmal danke ich Ihnen für die Eröffnung eines neuen Diskussionsfadens, der nichtsdestoweniger gar nicht allzu weit von dem letzten entfernt ist, wie mir scheint. Da Sie im letzten Satz Ihres Beitrags die Metaphysik angesprochen haben, will ich versuchen, in meinem Beitrag mit einigen Fragen metaphysischer (und teilweise sogar bewußt ein wenig provozierender) Natur, die Diskussionsfreude anderer Forumsbesucher noch ein wenig mehr anzuregen.

Zunächst greife ich zwei Ihrer Aussagen auf:

(1) "Es ist nämlich nicht nur entscheidend, wer das Universum entstehen hat lassen, sondern genau so entscheidend ist, wer das Universum gleich zu Beginn so exakt geordnet bzw. reguliert hat."

Nicht 'wer', sondern 'was' wäre hier die bessere Wortwahl gewesen. Ein 'wer' veranlaßt den menschliche Geist automatisch an eine Person bzw. ein personifizierbares Wesen zu denken. Ein Wesen, mit Eigenschaften, die den menschlichen (als den einzigen uns derzeit bekannten) zumindest sehr ähnlich sind. Und damit laufen wir automatisch wieder in die Falle eines Kreators mit menschlichen Zügen, der all das exakt geplant hat.

(2) "Diese Präzision war also notwendig, um die Materie und somit das Universum entstehen zu lassen."

Richtig, das gilt zumindest für das Universum, in dem wir uns z. Zt. Gedanken darüber machen. Dieses Universum, so wie wir Menschen es seit Anbeginn beobachten und so wenig wir es bisher auch kennen, enthält scheinbar keinen "Zufall" in diesem Sinne (wirklich nicht?). Alles erscheint logisch und konsequent, aufbauend auf nur wenigen Naturkonstanten. Aber dennoch schließt das nicht aus, daß es tatsächlich zufällig entstanden sein könnte. Bekanntermaßen gibt es verschiedene Theorien über die Natur des Universums, u. a. auch die Theorie des pulsierenden Universums, also eines, das in einer Singularität entstanden ist, sich ausdehnt und entfaltet, nach etlichen Milliarden Jahren wieder in eine Singularität zusammenfällt, sich wieder ausdehnt usw.. Ist daher nicht auch ein Universum denkbar, daß mit leicht veränderten Konstanten, deren Abhängigkeiten untereinander samt den daraus resultierenden Ergebnissen naturgemäß niemand in diesem "unseren" Universum auch nur annähernd vorstellen kann?

Doch warum sollte das Universum nicht wirklich zufällig entstanden sein? Was ist eigentlich so furchtbar schlimm daran zu akzeptieren, daß wir allesamt Zufallsprodukte eines zufälligen Universums sind, das zufällig so aussieht, wie es aussieht? Sicher, die Naturkonstanten, so wie wir sie kennen, einschließlich der darauf aufbauenden Evolution lassen derzeit keinen anderen Schluß zu, daß in diesem Universum alles genauso sein MUSS, wie es ist, sonst gäbe es uns in dieser Form gar nicht.

Aber vielleicht ist unser Universum ja tatsächlich kein "reines Zufallsprodukt", sondern das derzeitige Ergebnis einer "Evolution von Universen", im Laufe derer nach dem Prinzip Mutation und Selektion sich das unserige zufällig als einigermaßen stabil und langlebig herausgestellt hat (andere Universen sind vielleicht Bruchteile nach einem Urknall gleich wieder zusammengebrochen, weil ihre (zufällig entstandenen) Konstanten keine Stabilität zuließen? In diese Überlegung könnte man auch die Theorie der Paralleluniversen einbeziehen. Möglicherweise gibt es ja, so wie die Evolution auf unserem Planeten unterschiedliche Arten und Rassen hervorgebracht hat, eine Fülle von Universen in einem Metauniversum und das unserige ist nur eines davon?

Daß unser Gehirn Intelligenz und Bewußtsein nicht aus sich heraus "produziert", hat HvD in seinem "Wasserstoff" und später in seinem "Wir sind nicht nur von dieser Welt" sehr schlüssig nachgewiesen (vgl. auch Konrad Lorenz: "Der Pferdehuf ist ein 'Abbild' des Steppenbodens und die Fischflosse ein 'Abbild' des Wassers..."), sondern - ich sehe das genauso wie Sie, Herr Pfeifer, und Sie haben das sehr schön formuliert - unsere Gehirne sind das 'Abbild' einer (Zitat): "anscheinend kalkulierenden, respektive beziehungsstiftenden Intelligenz, welche von einer absolut abstrakten und geistigen Art sein muss!" Ich denke, mit dieser Aussage kann sogar der überzeugteste Atheist leben.

Sicher, alles erscheint uns hier so, als hätte eine "übergeordnete Instanz" mit Intelligenz und Bewußtsein all dies geplant und geschaffen. Aber was ist das eigentlich? Sind 'Bewußtsein' und 'Intelligenz' nicht lediglich Begriffe, die wir Prinzipien zuordnet, welche zwar zweifelsfrei vorhanden sind und sich sogar unserem Geist widerspiegeln, aber trotzdem eben "nur" Prinzipien, denen wir (aus menschlicher Sicht nur allzu verständlich) mehr Substanz zuordnen als sie wirklich haben? Prinzipen, die ihrerseits zufällig sind?

Ja, man könnte die Evolution des menschlichen Gehirns auch als die fortwährende Annäherung an diese abstrakte kalkulierende und beziehungsstiftenden Intelligenz ansehen. Sicherlich sind wir noch ungeheuer weit davon entfernt und wir können auch nicht vorhersehen (ja, nicht einmal sinnvoll darüber spekulieren) wie sich eine weitere Hirnentwicklung vollziehen und wie sie sich auf das menschliche Selbst- und Weltverständnis auswirken wird.

Über alle Vernunft und Intelligenz hinaus ist der menschliche Geist sehr wohl fähig, Paradoxa, Widersprüchlichkeiten und Irrealitäten zu denken. Wenn man nun den menschlichen Geist als 'Abbild' eines übergeordneten intelligenten Prinzips sieht, dann könnte man doch auch mit Fug und Recht daraus schließen, das auch solche Irrealitäten und Irrationalitäten Teil dieses Prinzips sein müssen. Woher sonst sollten sie kommen? Vielleicht ist das der "Preis", den wir für unsere Intelligenz zahlen müssen, daß wir auch irrationale menschliche Verhaltensweisen akzeptieren müssen? Sogar die Evolution verhält sich - im menschlichen Sinne - irrational, indem sie ungeheure Mengen an Mutationen produziert, aus denen schließlich nur eine einzige aufgrund der Selektion "gewinnt". Welch ein irrationaler Aufwand!

Das Problem ist aber im Grunde immer dasselbe: Wir können unseren anthropozentrischen Standpunkt nun mal nicht verlassen! Das, was wir bestenfalls erreichen können, ist, sich dieses Standpunktes bewußt zu werden. Wir können - wie Sie richtig sagen, Herr Pfeifer - mit bemerkenswerter Genauigkeit die Naturkonstanten der Kernkräfte, der Lichtgeschwindigkeit, der Gravitation usw., dieses unseres Universums in der Tat sehr präzise bestimmen und daraus schließen: wenn sie nicht so wären, wie sie sind, gäbe es uns Menschen gar nicht. Jedenfalls nicht in dieser Form. Das schließt aber nicht unbedingt aus, daß in einem Universum mit anderen Konstanten, das vielleicht kurzlebiger wäre, oder sich mit größerer oder geringerer Geschwindigkeit ausdehnte, oder in dem die Verteilung von Materie und Antimaterie eine andere wäre, o. ä. nicht auch intelligentes Leben bilden könnte. Mit einer Intelligenz, die vielleicht sogar ganz anders aussieht? Gar mit einer Logik, die er unseren fremd ist?

Trotz alledem kann man natürlich immer weiter fragen, was "vorher" war, was (oder wer) den Anfang des Universums (oder dieses Pulsierens, oder die Existenz eines Metauniversums) veranlaßt haben könnte und was (oder wer) die jeweiligen Konstanten auf ihre exakten Werte eingestellt hat, damit es uns Menschen in dieser Form überhaupt geben kann, aber damit geraten wir wieder in die Diskussion um reine Begrifflichkeiten (wer oder was ist Gott?). Denn die Tatsache, daß alles so ist, wie es ist, sagt gar nichts darüber aus, ob jemand oder irgendetwas dies "bewußt" so eingestellt hat, oder ob es wirklich zufällig entstanden ist.

So bleibt, wie ich es sehe, uns Menschen in dieser Welt tatsächlich nur eine einzige Möglichkeit: nämlich die, zu ergründen versuchen und vielleicht sogar ansatzweise zu erklären, was "ist". Vielleicht auch noch warum es so ist. Aber mehr auch nicht. Das Wissen, ob auch andere Universen möglich sind (möglich, nicht denkbar), wird uns und natürlich auch den jeweiligen Bewohnern einer dieser anderen Welten für immer verschlossen bleiben. Schade zwar, aber damit müssen wir uns abfinden. Immerhin haben wir mit der Erforschung unserer eigenen Universums und der darin enthaltenen Realität noch genug zu tun - auch ohne darüber spekulieren zu müssen, ob es einen intelligenten Schöpfer hatte, der alles minutiös im Voraus geplant hat und sich ununterbrochen um das Gedeihen seiner Schöpfung kümmert.

Ich bin mir natürlich klar, daß ich mich mit solchen Überlegungen und Gedankenspielereien am Rande des Metaphysischen bewege oder sogar jede Diskussion lediglich in das in einem anderen Diskussionsfaden bereits angesprochene Ja/Nein-Dilemma bringe, hoffe aber - wie zu Beginn gesagt - daß die Fragen, die ich hier aufgeworfen habe und die mich natürlich auch selbst bewegen, zur weiteren Diskussion anregen.

HB




Antworten:



Ihre Antwort

Name:
E-Mail:

Subject:

Text:

Optionale URL:
Link Titel:
Optionale Bild-URL:


[ Antworten ] [ Ihre Antwort ] [ Forum www.hbgl.net ]