Re: Thomas Metzinger: Der Ego-Tunnel


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Abgeschickt von Helmut Pfeifer am 06 November, 2009 um 15:57:39

Antwort auf: Re: Thomas Metzinger: Der Ego-Tunnel von Klemens Taplan am 14 Oktober, 2009 um 20:37:27:

Hallo Herr Taplan,

Wie versprochen, möchte ich mich etwas verspätet mit Ihrem Beitrag vom 14. Okt. wie folgt beschäftigen:

Sie fragen sich gleich zu Beginn, ob der "Wille" frei wäre und wer der "Inhaber" desselben sei.
Ihre Schlussfolgerung: Der Wille sei nicht so frei, wie es uns dünkt.
Das sehe ich grundsätzlich auch so, aber beide Fragen sind bei näherer Betrachtung schwer zu beantworten. Man kann nur annähernd durch "Beschreibung" der diversen Aspekte eine Stellungnahme abgeben und es jeden überlassen, welche Ansicht überzeugender wirkt. Auch HvD hat in solchen Situationen eine solche Haltung empfohlen.

"Wer" ist also der "Inhaber" des freien Willens?
Ich meine jedes menschliche Individuum. Ein solches zu sein, heißt eine Erfahrungskontinuität verbunden mit dem dazu notwendigen Gedächtnis zu besitzen. Die Erfahrungskontinuität ist die Summe aller Wahrnehmungen, welche ich ständig mache und die mich nach einem Abgleich mit den im Gedächtnis gespeicherten Wissen befähigt, logisch schlüssige Handlungen zu setzen. Dass etliche dieser Handlungen nicht immer richtig sind, es also bessere Varianten gegeben hätte,ist klar.

Was unsere "Wahrnehmung" allgemein betrifft, so ist das Verstreichen von Zeit und was wir darin gemacht haben, eine der grundlegensten Aspekte derselben.
Nehmen Sie nur Ihr eigenes Leben her: Wonach oientieren Sie sich im allgemeinen?
Doch an all das, was Sie bisher getan haben:
An Ihre schulische und berufliche Ausbildung, an die sozialen Kontakte in Familie und Gesellschaft und vorallem auch an Ihren beruflichen Werdegang mit all seinen damit gemachten Erfahrungen für Sie.
Viele unserer Gedanken und Tätigkeiten werden zu einem zeitlichen Hintergrund in Beziehung gesetzt. Das heißt, nur im dahinströmenden Fluss der Zeit vermögen wir uns wahrzunehmen und das zu erleben, was wir Bewußtsein nennen.

Zur zweiten Frage, ob es nun den "freien Willen" gäbe, haben Sie den Philosophen Michael Pauen zitiert, der im freien Willen u.a. die "Selbstbestimmung" sieht. Gut.
Und dies auch in einer "determinierten" Welt von der man inzwischen weiss, dass es sie gar nicht gibt,weil das Newtonsche und Laplacesche Weltbild durch die Rel.Theorie und Quantentheorie im Großen und Ganzen längst widerlegt worden ist und ergo nicht mehr gilt. Im Detail existieren gewisse Einschränkungen, aber im Allgemeinen kann man das so stehen lassen.

Bei dem Satz "...das bestehende Theoriengebäude.... würde ich bloß das Wörtchen "nur" vor dem "reduktionistisch" einsetzen.

Neuronale Korrelate zu spezifischen Bewußtseisinhalten hat man schon gefunden, vorallem aber auch die "Verschaltungen" in gewissen Gehirnarealen bei spezifischen mentalen "Leistungen". Das ist schon einiges an Forschungsarbeit geschehen. Ich werde in meinem nächsten Beitrag, als Fortsetzung zu meinem Beitrag vom 31.10., aus Wolf Singers Buch "Der Beobachter im Gehirn" einige diesbezügliche Stellen zitieren.
Übrigens finde ich, das besagter Wissenschaftler eine der bedeutensten Hirnforscher im deutschsprachigen Raum ist! Singer ist Ihr Landsmann, an den man sich ruhig orientieren sollte. Aber scheinbar gilt auch in Deutschland der Spruch, dass der "Prophet" im eigenen Land nichts zählt!

Noch ein Paar Dinge zu letztem Absatz:
Die Beschreibung, dass die "Summe der Teile weniger als das Ganze sind", gehört zum Kapitel der so genannten "Nicht linearen Systeme".( ein eigenes Kapitel)

Neue Eigenschaften entstehen bei einer bestimmten Komplexität: siehe Entwicklung bzw. Hervorbringung ( Emergenz)der belebten Materie = Leben! Daher wird auch Leben als eine neue "Systemgemeinschaft" materieller Systeme definiert!
Sie meinen, Emergenz kann man nicht aus "Teilen" ableiten. Ich frage Sie, wie ist das bei der Entstehung von Wasser, welches durch die Oxydation von H erfolgt? Die gasförmigen Ausgangselemente (Teile) H und O bilden eine neue chem. Verbindung! Dazu noch mit ganz anderen Eigenschaften.

Zuletzt ein schwer verständlicher Satz von Ihnen:
...Physik weiss in ontologischem(!) Sinn nicht was Masse oder Licht(?) ist...

Wie verstehen Sie "ontologisch" in diesem Zusammenhang? Vielleicht "wesenshaft" oder identitätsweise"? Die Ontologie ist überhaupt schwer zu definieren, schon dadurch dass es zwei Arten der O. gibt usw.( siehe Brockhaus) Also Vorsicht mit diesem Begriff!

Anstatt "Licht" fände ich "Energie" richtiger und würde "Masse und" ,statt "oder" Energie formulieren.
Warum? Weil Licht ja nur eine Form der Energie ist, nämlich wie bekannt, eine elektromagnetische Welle in einem gewissen Frequenz bzw. Längenspektrum. ( siehe HvD`s "Wasserstoff")

Klar, bis heute gibt es keine vereinheitlichte phys. Theorie, die alles erklärt, schon gar nicht den philosophischen Begriff das "Sein".
Ich empfehle das Studium von Paul Davies "Auf dem Weg zur Weltformel" und auch Hawking beschäftigt sich damit. Dabei habe ich nirgends eine Verbindung zu phil. Begriffen gefunden.

Zu Metzinger`s Frage, wer denkt:
Ich meine das Selbst, das Ich, mein Bewußtsein.
Denken bedeutet im psychologischen Sinn "Assozieren! Wir verbinden ständig Begriffe, Tätigkeiten usw. miteinander und verweben sie zu einem Ganzen - man könnte es mit einem geistigen "Koordinatensystem" vergleichen!

MfG
HP

: Mit freundlichen Grüßen
: HP



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