Re: Autobiografisches zum „Apfelbäumchen“


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Abgeschickt von Heinz Boente am 01 November, 2007 um 15:13:34

Antwort auf: Re: Autobiografisches zum „Apfelbäumchen“ von Halil Güvenis am 31 Oktober, 2007 um 13:56:43:

Hallo Herr Güvenis, Herr Pfeifer & Diskussionsteilnehmer,

wie ich schon einmal sagte, sind wir m. E. im Grunde gar nicht so sehr weit auseinander in unseren Ansichten und damit auch in unserer Sorge um die Zukunft der Menschheit. Ich denke auch, daß es hier in unserer Diskussion überhaupt nicht darum geht, Hoimar von Ditfurth und die von ihm im "Apfelbäumchen" angesprochene Conditio humana zu widerlegen bzw. ihm Unvollständigkeit zu unterstellen (Ihre Seite der Diskussion, Herr Güvenis). Genauso wenig wie es seitens der anderen Diskutanten darum geht, ihn verteidigen zu müssen und als Advocati ditfurthiensis" aufzutreten.

Wenn ich persönlich - was ich ja bereits ausdrücklich getan habe - das grundsätzliche Vorhandensein einer visionären Kraft akzeptiere, dann sollte ich doch - und das bitte ich jetzt auf gar keinen Fall als Verteidigungsrede oder gar als Lobhudelei anzusehen - ganz besonders das Lebenswerk HvDs als eine solche bezeichnen dürfen. Immerhin hat er sich entschlossen, einen gut dotierten Vorstandsposten in der deutschen Industrie nicht anzunehmen, sondern ausschließlich als freier Publizist im wissenschaftlichen Sinne aufklärerisch tätig zu werden. Das war in den 1970er Jahren, also zu einer Zeit, als die zivilisierte Menschheit langsam aber stetig begann, sich in eine mediale Spaßgesellschaft zu verwandeln (ich weiß, daß ich hier sehr stark vereinfache). Wenn das keine Visionäre Kraft ist, was denn dann?

Ohne es naturgemäß wissen zu können, glaube ich deshalb nicht, daß HvD das Vorhandensein einer visionären Kraft bestritten hätte - auch wenn er Ihnen, Herr Güvenis, wie Sie in Ihrem Eröffnungsbeitrag zu diesem Diskussionsfaden geschrieben haben, nicht geantwortet hat.

HvD hat ja auch nicht zur Resignation aufgerufen, obwohl man ihm das vorgehalten hat und auch wenn man das durchaus aus dem "Apfelbäumchen" herauslesen kann. Im Gegenteil, er WOLLTE mit diesem Buch schockieren. Sein leider mißglückter Versuch (sic!), bei der Menschheit einen Umdenkungsprozeß zu initiieren. Da hat er zugegebenermaßen seine eigene visionäre Kraft sicher zu hoch eingeschätzt. Da reichte nicht einmal seine damalige Popularität in der Waagschale aus, die Lethargie und Ignoranz der Masse aufzuwiegen.

Doch ich will noch zu einigen Ihrer Aussagen Stellung nehmen, nicht ohne jedoch noch einmal vorauszuschicken, daß Sie, Herr Güvenis, und alle anderen, die hier mitdiskutieren, mit ihren Gedanken und Vorstellungen im Grunde sehr nahe beieinander liegen.

(1) --- [...Sobald Sie den Erkenntnis- und Aktionsrahmen der Art genetisch festlegen, darf kein einziges Individuum dieser Art über die Artgrenzen hinaustreten...]. Doch, das darf es! Das muß es sogar (Mutation), denn wäre dem nicht so, dann gäbe es das Evolutionsprinzip nicht. Erst im zweiten Schritt (Selektion) entscheidet dann die Umwelt (die äußeren Umstände), wie wirksam diese Überschreitung werden wird.

(2) --- [...Ich gebe eine menschliche Fähigkeit an, kraft deren einzelne Individuen der Art die angeblichen Artgrenzen überschreiten. Damit ist HvD widerlegt...]. Nein, das ist er nicht! Sie sprechen ja ausdrücklich von "einzelnen Individuen". Dummerweise gehört es jedoch zum Wesen der Evolution, daß nicht der Stärkere oder sogar das Bessere siegt, sondern immer die Masse (von einigen Nischen einmal abgesehen, die aber zum Fortgang der Evolution nichts Wesentliches beitragen). Desweiteren ist die Evolution niemals zielgerichtet, d. h. sie ist blind gegenüber ihren eigenen Ergebnissen. Und dazu gehört auch, daß sie sich theoretisch selber "ins Abseits" evolvieren kann. Überflüssig zu sagen, daß HvD sich dieser Tatsache sehr wohl bewußt war. Einzelne Mutationen, und mögen diese in der Nachschau auch noch so "Recht gehabt haben", haben in der Evolution keine Chance!

(3) --- [...Solange das Wirtschaftswachstum und der Massenkonsum durch einen elementaren gesellschaftlichen Prozess nicht aufgehoben sind, wird es keine Rettung aus der Sackgasse geben. Deshalb postuliere (hoffe) ich bis spätestens 2020 eine wirtschaftliche Umwälzung, aus der die zur Zeit nicht vorhandenen, zur Verhinderung der Klimakatastrophe empfänglichen Menschen hervorgehen könnten...]. Da stimme ich Ihnen voll zu! Allerdings würde ich das nicht nur aus dem ökonomischen Blickwinkel und nicht nur im Hinblick auf die Klimakatastrophe sehen. Die heutigen Probleme auf unserem Planeten sind weit vielgestaltiger, ja, sogar noch komplexer als HvD es beschrieben hat (sein "Apfelbäumchen", heute geschrieben, wäre mit Sicherheit doppelt so umfangreich). Wenn die visionäre Kraft einzelner Menschen oder kleiner Gruppen tatsächlich in der jüngeren Vergangenheit das eine oder andere bewirkt hat in einem kleinen Teil der Welt, haben sich zwischenzeitlich in anderer Teilen unvorhersehbare neue Konflikte und Probleme aufgetan.

(4) --- [...Sie müssen aber anerkennen, dass ich der Menschheit in der Klimakatastrophe eine echte Rettungschance und -perspektive einräume...]. Das tue ich mit Freuden! Fragt sich nur, ob auch die Menschheit dies anerkennt, ach was, ob sie es überhaupt bemerkt. Die "Menschheit" ist nunmal so veranlagt, daß sie ihre durch Erdbeben oder Tsunamis zerstörten Häuser an genau derselben Stelle wieder aufbaut. Und die Menschheit in den sogenannten Schwellenländern tappen derzeit wider besseren Wissens in genau dieselben Fettnäpfchen und Fallen, welche die etwas weiterentwickelten Länder inzwischen als verhängnisvoll zumindest erkannt, wenn auch längst nicht gebannt haben.

Unsere heutigen Probleme sind nicht mehr so sehr horizontaler, sonder eher vertikaler Natur, d. h. der West/Ost-Konflikt ist zwar seit den 1980er Jahren weg, aber der Reich/Arm-Konflikt steht vor der Tür. Vielleicht sogar ein Gescheit/Dumm-Konflikt, der aus einem horrenden Bildungsgefälle auf unserem Planeten resultiert. Dabei will ich an dieser Stelle die anderen hochkomplexen Bereiche wie z. B. Bildungsmisere, Wertezerfall, religiöser Fanatismus, Gentechnik, "friedliche" Nutzung der Kernenergie, und, und, und, ganz bewußt hier nur beim Namen nennen (sie sind allerdings globaler Natur!) - darüber könnte man jeweils eigene Internet-Foren betreiben (die es ja sogar gibt). Fest steht jedenfalls, daß die im "Apfelbäumchen" umrissenen Probleme immer noch bestehen, auch wenn sie teilweise heute unter anderen Namen in den Nachrichten auftauchen. Fazit: die Situation der Menschheit ganz allgemein hat sich seit dem und trotz des "Apfelbäumchens" um keinen Deut verbessert!

Ich möchte zum Schluß noch ergänzen - und das habe ich in meinen vorigen Beiträgen schon zu verdeutlichen versucht -, daß ich Ihnen voll zustimme, daß der Einzelne sehr wohl über seine Conditio humana hinaus denken und handeln kann, aber doch nicht "die Menschheit". Dummerweise hat sich die Menschheit aufgrund ihrer genetischen Veranlagung, die von der soziokulturellen Entwicklung schlichtweg überrollt worden ist, in eine Lage hineinmanövriert, in der das Ruder auch durch einzelne oder hundert oder tausend oder sogar zehn Millionen "Visionäre" (ich nenne sie mal so) nicht mehr schmerzfrei herumgerissen werden kann (und HvD hat das schon damals erkannt). Mal ganz davon abgesehen, daß es nahezu unmöglich ist, diese - von mir optimistisch gesehenen - zehn Millionen Visionäre unter einen Hut zu bringen. Auch eine Weltwirtschaftskrise hat in den 1920er Jahren nichts bewirkt, jedenfalls nichts nachhaltig Positives.

Bleiben die Fragen, ob die gesamte Menschheit untergehen wird, und wodurch und wann. Und wie lange es dauert. Ob die Verursacher dann tatsächlich die Apokalyptischen Reiter aus dem "Apfelbäumchen" sind oder etwas, das heute noch niemand absehen kann, vermag natürlich niemand zu sagen. Traurigerweise trifft das jedoch nicht nur die zehn Milliarden Ignoranten, sondern auch die zehn Millionen Visionäre.

Ich persönlich sehe einen Trost in der Evolution selbst. Auch die Saurier, über Hunderte von Millionen Jahren die uneingeschränken Herrscher unserer Erde, sind ausgestorben (oder, wenn man so will zu Vögeln mutiert). Warum sollte es der Menschheit besser ergehen? Es ist wirklich kein Pessimismus, wenn ich dies sage. Es ist eine Tatsache, mit der wir Menschen uns abzufinden haben. Das einzig Ärgerliche ist, daß wir den Prozeß unseres eigenen Aussterbens selber noch beschleunigen, statt diese einmalige und grandiose Eigenschaft namens Vernunft dazu einzusetzen, ihn zu verlangsamen.

HB



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