Anmerkung 1 (neu): Das Palaver / palavern / homo palaverus /


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Abgeschickt von olfd am 02 August, 2008 um 11:58:09

Antwort auf: Happy Birthday ! - Das Forum wird 3 Jahre alt von olfd am 01 August, 2008 um 13:14:50:


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Ich möchte meine Anmerkung 1 noch verbessern. Meine Kleinschrift gefiel mir bei der Texterfassung ausreichend gut ("mal was anderes") - aber hier nicht mehr.

Der Auslöser war, daß ich kurz vor meinem Posting weiter unten im Forum über "Conditio Humana" las, und meine (gewagte) These und Begriffsschöpfung ("Palaver-Wesen") in einer Verbindung sah, die aber später verlorengeht. (.. wie einige meiner Formatierungen :-)

Es war zwar eine "Blitzidee" ("gedacht - getan"), die mich jetzt zu Nacharbeit zwingt - aber die Sache (eine Rehabilitation des Palavern) ist es mir wert. Außerdem bekommt der Leser einen Eindruck von Lauterburgs "Fünf nach Zwölf".

(Meine alte Anmerkung 1 bitte bei Gelegenheit mal löschen.)


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Das Palaver, das Palavern und das Palaverwesen

"Palaver" ist genauso wie "Utopie" bei uns meist negativ besetzt. Negativ-Palaver = sinn-lose, frucht-lose, zeit-vernichtende Quatscherei. - Aber ich meine bei meinem Geburtstagsgruß "Palaver" streng positiv bzw. 'streng nach Lauterburg'. Der Autor würdigt das (Lagerfeuer-, Volks-, Gruppen-) Palaver an 2 Stellen konkret mit Namen. Auf Seite 252 allerdings erliegt auch er der Suggestion des Sprachgebrauchs und gebraucht "palavern" als Verb negativ besetzt. - Auch mir geht es so, daß ich seit Jahren versuche "Utopie" nur positiv zu gebrauchen, aber auf "utopisch" nicht verzichten will, wenn etwas unrealisierbar erscheint. (Meine Utopie1-Olf ist auch "utopisch" vom Alltagsgefühl her - aber eine menschliche Mondlandung war das vor 50 Jahren, 1958, auch. Aber mir gehts hier nur um die Sprache.)

Also hier meine Definition von Palaver-positiv: Es ist genügend Zeit und Raum vorhanden, um eine Sache genügend gründlich zu erörtern. Raum: Es benötigt auch gemütliche äußere Umgebung für ein gutes - tägliches - Palaver. - 'Ich' kann mich einbringen, und ich werde 'gehört', also ernstgenommen, also so, daß ICH die (Gruppen-) Entscheidung AUCH DANN mittragen kann (emotional), wenn ich in der SACHE eine andere Meinung habe - aber 'nicht überzeugen konnte'.

Was ich sagen will: Palaver/Palavern ist in unserem Sprachgebrauch so im Sprachgefühl besetzt, also ob es immer um etwas Unwichtiges (im Ergebnis) geht. Aber Lauterburg und ich gebrauchen es von der FORM her - also das zwanglose - tägliche - Sprechen, Erörtern, "brain-storming", auch dann, wenn eine lebenswichtige Entscheidung gefällt werden muß.

Also ganz das Gegenteil des mechanisch-automatischen Argumente-an-die-Front-werfen, welches wir heute bei der Diskussion politischer Zukunftsfragen erleben.

Um auf meinen Einwurf beim Geburtstagsgruß zurückzukommen: Obwohl "Palaver" etwas mündliches ist - das HvD-Forum ist eine schöne Werkstatt, um das Palavern zu üben - denn ich bin ein "Palaver-Wesen" :-))


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Jedes Gruppenmitglied war "wichtig" und "wertvoll". Gerade auch die Alten genossen großen Respekt, denn sie verfügten über ein besonders wertvolles Gut: Lebenserfahrung. Kommunikation nahm vor, während und nach der Arbeit viel Raum ein. Das Zusammenleben war geprägt von Plaudern, Schwatzen, Feilschen, Streiten, Beten, Singen und Tanzen.

Das Palaver war die zentrale Institution — die Vollversammlung der Sippe rund ums Lagerfeuer. Hier fand die Weitergabe von Wissen statt — und die gemeinsame Beratung darüber, was in wichtigen Fragen zu tun sei. Jeder konnte mitreden. Jeder hörte alles, was gesagt wurde. Die Urhorde war eine basis­demokratische Veranstaltung in Reinkultur. Zweieinhalb Millionen Jahre lang.

Was uns verloren gegangen ist und bitter fehlt, ist das gemeinsame Palaver rund ums Lagerfeuer – der Ort wo alle, unbesehen des Alters, des Geschlechts und der besonderen Funktionen, miteinander diskutieren, und irgendwann gemeinsam beschließen: Unternehmen wir etwas oder unternehmen wir nichts? Und wenn wir etwas unternehmen wollen, wie packen wir's an. Wir. Nicht die.

Dies hat nichts mit Pfadfinderromantik zu tun. Wenn kein ganzheitlicher und partnerschaftlicher Dialog stattfindet, kann auch nicht gemeinschaftlich gehandelt werden. Die Gesellschaften werden von innen heraus zersetzt.

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Zitat aus Lauterburg, <Fünf nach Zwölf>, 1998,
Seite 47 (Kap. 4) und Seite 120 (Kap. 11)

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