Re: Kinder des Weltalls


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Abgeschickt von Helmut Pfeifer am 18 September, 2009 um 16:52:35

Antwort auf: Kinder des Weltalls von Klemens Taplan am 05 September, 2009 um 15:16:29:

: Hallo Herr Taplan,

Ich war jetzt 2 Wochen weg und bin auch jetzt schon wieder in Eile. Nur so viel: Ihr Beitrag ist super, gratuliere. Endlich jemand, der sich mit dieser Materie ernsthaft beschäftigt. Ich habe nur schlagwortartig den Inhalt des gegenständlichen Buches behandelt, weil ich den jeweiligen Leser meiner Beiträge anregen möchte, dieses auch zu lesen. Es ist aber sicher auch nicht schlecht, vom Inhalt so viel zu "verraten", wie Sie es machen. Hoffentlich ist der eine oder andere wirklich "neugierig" geworden!
Ja, HvD dürfte mit seiner von Ihnen erwähnten Prognose Recht haben, dass die Aktualität solcher wissenschaftlichen Bücher sehr rasch abnimmt, obwohl deren Inhalt dies kaum tut. Schade.
: MfG
: Helmut Pfeifer

PS: Der komplette Titel meines letzten Beitrages lautet übrigens: " HvD läßt uns über den Tellerrand blicken."


Hoimar von Ditfurth: Kinder des Weltalls

: Der Roman unserer Existenz

: „Normalerweise liest kein Mensch eine naturwissenschaftliche Veröffentlichung oder ein physikalisches oder astronomisches Lehrbuch, deren Druck zwanzig, dreißig oder noch mehr Jahre zurückliegt.“
: (Hoimar von Ditfurth in „Kinder des Weltalls“)

: In „Kinder des Weltalls“, seinem ersten bekannten populärwissenschaftlichen Buch aus dem Jahre 1970, thematisiert HvD, dass die Erde nicht isoliert ohne Zusammenhang zum kosmischen Ganzen im unwirtlichen Weltall treibt, sondern dass ein bislang nicht gekanntes universelles Beziehungsgeflecht existiert, welches das Leben auf der Erde erst möglich gemacht hat.

: Bereits in diesem frühen Werk ist auch der späte HvD erkennbar (Zitat: „Es besteht ein wahrhaft großes Missverständnis zwischen der faktisch vorhandenen Möglichkeit zum “Overkill“ - dazu, den ganzen Globus gleich mehrfach von allem Leben zu befreien und buchstäblich zu sterilisieren – und den konkret gegebenen Anlässen, die es vernünftig oder wenigstens verständlich erscheinen lassen könnten, ein Vernichtungspotenzial von solch apokalyptischer Vollkommenheit überhaupt erst zu schaffen.“).

: Diese Aussage ist aber bezogen auf den Inhalt des Buches eher eine Randbemerkung. Schwerpunktmäßig geht es um eine Synthese der Erkenntnisse aus Physik, Chemie, Biologie, Geographie, Archäologie und Paläontologie mit dem Ziel, unser Dasein in Abhängigkeit ineinander greifender kosmischer Vorgänge zu beleuchten. Und das ist HvD gelungen. Die Art der Darstellung sucht auch heute, 38 Jahre nach Veröffentlichung von „Kinder des Weltalls“, seinesgleichen. Es handelt sich nicht um eine Auflistung von Sachverhalten, sondern um eine spannende zusammenhängende Abhandlung über die kosmischen Rahmenbedingungen unserer Existenz.

: In „Naturwissenschaft und menschliches Selbstverständnis“ erläutert HvD die Motivation der Menschheit für die Erforschung des Weltraums. Es geht nicht nur um praktisch verwertbare Erkenntnisse, sondern insbesondere um ein ideelles Ziel, nämlich die Erweiterung des Horizonts bzw. des Bewusstseins. Naturwissenschaft ist die Fortsetzung der Metaphysik mit anderen Mitteln. Der Mensch sucht seine Rolle im Universum und dafür ist ihm jeder Aufwand recht.

: HvD gebraucht zahlreiche Beispiele und Vergleiche, die den Lesern die Dimensionen unseres Sonnensystems und der Galaxien plastisch vor Augen führen. Würde man die Erde auf Apfelsinengröße verkleinern, wäre der Mond 3,8 cm entfernt, aber der Pluto bereits 60 km. Um den nächsten Fixstern zu erreichen, müsste man bereits selbst Raumfahrt betreiben, denn der läge im Modell so weit entfernt, wie in Wirklichkeit der Mond. Ein anderes Beispiel: Mit einem Nadelstich in das Bild einer Galaxie träfe man eine Million Sonnen, von denen schätzungsweise 50.000 über eigene Planetensysteme verfügen dürften. Eine Eroberung des Weltraumes wird es in Anbetracht solcher Dimensionen niemals geben.

: In der Uratmosphäre befand sich kein Sauerstoff. Freier Sauerstoff hätte die Moleküle der ersten irdischen Entwicklungsstufe zerstört. Im Zuge der Evolution der Pflanzen entstand durch die Photosynthese Sauerstoff sozusagen als Abfallprodukt. Es gab zu dieser Zeit auf der Erde keine Lebensform, die mit Sauerstoff etwas hätte anfangen können. Dass der Sauerstoff heute als lebensfreundliches Element gilt, ist als hohe Anpassungsleistung des Lebens zu werten.

: HvD erläutert ausführlich den Zusammenhang zwischen der kosmischen Höhenstrahlung, dem Sonnenwind und dem Magnetfeld der Erde. Der korpuskulare Sonnenwind bildet quasi die Atmosphäre der Sonne. Er schützt die Erde vor der harten energiereichen kosmischen Höhenstrahlung aus den Tiefen des Universums. Da der Sonnenwind als Teilchenstrahlung selbst schädlich für das Leben auf der Erde ist, schützt uns das irdische Magnetfeld vor dem Sonnenwind – eine Art kosmischer Sozialpakt.

: Verlaufen die Bahnbewegungen der Erde völlig gleichförmig? Die verfeinerte Beobachtungstechnik der Astronomen brachte zutage, dass die Erde sich nicht mit dem Gleichmaß um ihre eigene Achse dreht, wie man es lange Zeit geglaubt hat. Im Herbst sind die Tage geringfügig kürzer als im Frühjahr. Neben den Laufschwankungen gibt es eine absolute Bremswirkung auf die Rotation der Erde durch den Mond. Dieser ist nicht nur für Ebbe und Flut verantwortlich, sondern bremst die Drehbewegung der Erde kontinuierlich ab. Wenngleich diese Gezeitenreibung gering ist, hat sie dazu geführt, dass das Jahr heute nur noch 365 Tage hat und nicht, wie vor 200 Millionen Jahren, 385 Tage. Wie wichtig der 24 Stunden- Rhythmus für die Natur ist, erläutert HvD in „Die biologische Uhr“.

: In weiteren Kapiteln erklärt HvD Methoden der geologischen Altersbestimmung, den Aufbau des irdischen Magnetfeldes und Alfred Wegeners Theorie der Kontinentalverschiebungen. Es hat in der Geschichte der Erde in Abständen von jeweils mehreren Hunderttausend Jahren Umpolungen des Magnetfeldes gegeben. Wegeners Theorie konnte anhand von Veränderungen der Magnetrichtung in Gesteinen verifiziert werden. Archäologie, Geologie, Physik und Astronomie ergänzen sich, wenn es darum geht neue Erkenntnisse zu gewinnen.

: Ab welcher Dosis ist radioaktive Strahlung schädlich für organisches Leben? Wie hat sich der mehrfache kurzzeitige Wegfall des irdischen Magnetfeldes auf die Biosphäre ausgewirkt? Um diesen Fragen näher zu kommen, erläutert HvD die Prinzipien der Evolution. Vererbung und Mutationen stehen in einem ausgewogenen Verhältnis zueinander. Die Umwelt entscheidet durch Selektion darüber, welche Mutationen sich als überlebensfähig erweisen. Die natürliche radioaktive Strahlung ist für die Evolution erforderlich, weil sie Mutationen fördert, die für den Anpassungsprozess des Lebens an die Umwelt erforderlich sind. Zu viel radioaktive Strahlung führt zu einer erhöhten Mutationsrate und damit zum Untergang von Arten. Insofern muss der zwischenzeitliche Wegfall des irdischen Magnetfeldes und der damit verbundene stärkere Einfall des Sonnenwindes zu großen Veränderungen in der Flora und Fauna geführt haben.

: In „Kosmische Volltreffer“ geht es um Einschläge größerer Meteoriten in der Erdgeschichte und deren Auswirkungen auf das irdische Leben. Der letzte große Meteor traf die Erde vor 700.000 Jahren, während einer Umpolungsphase des irdischen Magnetfeldes. Ein Zufall? Oder war die Erde in dieser Zeit anfällig für größere Einschläge? Jedenfalls ist unser Planet übersäht mit nicht irdischer Materie in Form von Meteoritenstaub und kleineren Gesteinen kosmischer Herkunft. Gibt es einen Stoffwechsel auch zwischen Galaxien, die sich bei ihrer Reise durchs Universum zu nahe gekommen sind? Es wurden zwischen Galaxien leuchtende Gaswolken entdeckt, die auf eine Verbindung schließen lassen. Hier deuten sich Zusammenhänge zwischen dem Großen und dem Kleinen dieser Welt an – kosmische Abläufe und menschliche Umwelt beeinflussen einander.

: Interessant sind auch die Erkenntnisse über die Herkunft der schweren Elemente. Diese für das irdische Leben notwendigen Elemente entstehen erst in einer späteren Sternengeneration durch Kernverschmelzungsprozesse. Letztlich ist der Stoff, aus dem wir selbst bestehen, vor unvorstellbar langer Zeit in dem glühenden Zentrum einer Sonne entstanden - welch ein Aufwand für die Entstehung von Leben.

: Im letzten Kapitel deutet HvD (bewusst oder unbewusst) an, womit er sich in seinem nächsten Buch „Im Anfang war der Wasserstoff“ (1972 erschienen) beschäftigen wird, nämlich mit der Entstehungsgeschichte von Materie, Leben und menschlicher Kultur. Alles fing damit an, dass sich eine unermesslich große Wolke aus Wasserstoffgas unter dem Einfluss ihrer eigenen inneren Anziehungskräfte zusammenzog ...

: HvD macht in diesem Buch deutlich, dass wir wahrhaftig „Kinder des Weltalls“ sind. Wir durchqueren mit der Erde den Weltraum nicht beziehungslos, sondern sind Teil des Ganzen, eines Beziehungsgeflechts, welches räumlich und zeitlich unermesslich weit reicht, auch wenn niemand weiß, wohin die Reise geht. Spielt es da eine Rolle, dass 1970 noch nicht bekannt war, dass es auf dem Mars Wasser in gefrorenem Zustand gibt? Die Kernaussagen des Buches behalten ihre Gültigkeit. Man kann der Jugend auch heute empfehlen, dieses populärwissenschaftliche Meisterwerk zu lesen.

: (Klemens Taplan; 09/2008)




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