Re: Teilhard de Chardin- Naturbegriff -Atheismus


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Abgeschickt von Henry Grimmer am 16 September, 2010 um 05:12:52

Antwort auf: Re: Teilhard de Chardin- Naturbegriff -Atheismus von Walter Keil am 12 September, 2010 um 13:56:23:

Hallo, Herr Pfeifer! Hallo, Walter! Der Urlaub scheint vorbei zu sein!

Einige Anmerkungen zu Ihren „Schlagworten“:

Einstein hat seine Theorien überhaupt nicht „Relativitätstheorien“ genannt, sondern „Invarianz-Theorien“, denn seine Forderung war, dass die Naturgesetze und – konstanten in allen Bezugssystemen gleich sein müssen. Es ging ihm nicht um Relativität, sondern gerade um „absolute“ Werte. Der Gedanke, von dem er ausging, war, was man denn sehen würde, wenn man sich mit Lichtgeschwindigkeit neben einem Lichtstrahl bewegen würde (dass man sich nicht mit Lichtgeschwindigkeit fortbewegen kann, ist dabei unerheblich und außerdem erst eine Konsequenz seiner Überlegungen). Würde man etwa eine stehende Welle sehen? Wohl kaum. Die geniale Idee war, dass er die Lichtgeschwindigkeit als eine dieser Naturkonstanten setzte, daraus folgerte er die für den „gesunden Menschenverstand“ so wenig nachvollziehbaren Konsequenzen, z. B. Zeit- und Raumdehnung.

Man muss dabei sehen, dass die Relation (der Bezug) sich aus Messungen ergibt, die ein Beobachter im jeweils für ihn anderen System durchführt, wenn sich die Systeme mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten bewegen (spezielle Relativitätstheorie) bzw., wenn sie beschleunigt oder der Gravitation unterworfen sind (allgemeine Relativitätstheorie; Gravitation und Beschleunigung sind äquivalent, also gleichwertig!) Zu diesem Konzept gehört ebenfalls die untrennbare Einheit von Raum und Zeit. „Die Zeit steht immer in Bezug (Relation) zum Raum“ (ich zitiere Sie) greift viel zu kurz. Einstein hat die Raumzeit als untrennbare Einheit eingeführt und sie gleichzeitig zu einem dynamischen Mitspieler im Kosmos gemacht. Sie - die Raumzeit – ist nicht die Bühne, auf der sich das Schauspiel des physikalischen Seins abspielt, sondern sie ist der Hauptakteur, das wird uns leider gewöhnlich nicht klar genug.

Einsteins allgemeine Relativitätstheorie ist eine Gravitationstheorie, sie beschreibt die Gravitation geometrisch. Richtig, die Raumzeit wird durch die Anwesenheit von Materie gekrümmt, das ist aber nur die halbe Wahrheit, denn die Raumzeit beeinflusst auch die Materie bzw. die Energie (Energie und Materie sind ja ebenfalls äquivalent), die Raumzeit bestimmt die Bewegungsrichtung der Materie, beide – Materie/Energie und Raum-Zeit - sind unauflöslich miteinander verwoben, genau genommen IST Gravitation Raumzeit! Sie ist es in wirklichem, realem, tatsächlichem Sinne (um gleich ein paar weiße Schimmel ins Rennen zu schicken), nicht nur als Analogie oder Metapher.

Das der Raum durch Materie gekrümmt wird, lässt sich nicht „nur durch math. Formeln beweisen“ (Ihr Zitat), sondern ganz konkret durch Messungen. Der Beweis der Ablenkung des Lichtes durch die Sonne, die seine spezielle Relativitätstheorie postuliert, war es ja, der Einstein urplötzlich berühmt machte! Und dieser Beweis ist nichts anderes als der Beweis, dass der Raum durch die Sonne (Materie) gekrümmt wird. Und dass die Zeit „gekrümmt“, also durch Materie bzw. Gravitation verlangsamt wird, ist ebenfalls bewiesen worden (durch Atomuhren, die in Flugzeugen mitgeführt wurden und den Abgleich mit stationär gebliebenen Uhren). Bei Brian Greene habe ich eine sehr interessante Interpretation dieser Gegebenheiten gelesen: Alles bewegt sich IMMER mit Lichtgeschwindigkeit, da Raum und Zeit nicht getrennt betrachtet werden können, das heißt, die Gesamtbewegung ist eine Addition der Bewegung durch den Raum und durch die Zeit. Je größer die Geschwindigkeit des Raumanteils, desto geringer der Zeitanteil und umgekehrt. Licht bewegt sich danach nur noch durch den Raumanteil, und irdische Geschwindigkeiten haben einen äußerst großen Zeitanteil.

Wie ich schon ausgeführt habe, lässt sich auf den durch Messungen erfassbaren Kosmos als ganzes keine Krümmung nachweisen, er mag aber dennoch gekrümmt sein, denn er ist laut inflationärem Modell des Urknalls um riesige Größenordnungen größer, als wir ihn beobachten können (die Bereiche jenseits dieses für uns unüberwindbaren Horizontes entfernen sich mit Überlichtgeschwindigkeit von uns, deshalb werden wir niemals Informationen von dort erhalten; und nicht aufspringen – es ist die Raumzeit selbst, die sich ausdehnt, und das kann die mit Überlichtgeschwindigkeit, die Konstante „Lichtgeschwindigkeit“ bezieht sich auf alles, was sich INNERHALB der Raumzeit befindet, nicht auf die Raumzeit selbst).

Die „kosmologische Konstante“ führte Einstein nicht ein, weil der Raum gekrümmt werden kann, sondern ob der Konsequenzen, die sich aus dieser Krümmung für den Kosmos als Ganzes ergeben könnten. Er war nämlich Anhänger eines „Steady State“ Universums, also eines Universum, dass über die Zeiten hinweg ewig gleich bleibt. Die Gravitation führ aber dazu, dass Massen des Kosmos sich aufeinander zu bewegen, dass das Universum eigentlich gar nicht so aussehen dürfte, wie es aussieht, letztlich müssten die Massen aufeinander prallen, deshalb führte er eine „Gegenkraft“ ein, die den Kosmos stabilisieren sollte. Das bezeichnete er später als „größte Eselei“ seines Lebens, als nämlich Hubble nachwies, dass sich der Kosmos ausdehnt, was im Umkehrschluss bedeutet, dass die Massen tatsächlich früher beieinander waren, dass es also einen Anfang des Kosmos gab. Warum man heute wieder auf die kosmologische Konstante Einsteins zurückgreift liegt daran, dass man eine beschleunigte Expansion des Universums misst, die seit etwa sieben Milliarden Jahren greift und die man mithilfe der so genannten Dunklen Energie erklärt (mit der kosmologischen Konstanten ist also heute die Auswirkung der Dunklen Energie auf die Ausdehnung des Universums gemeint).

Was nun die Unendlichkeit der Universums angeht, ergibt sich dass ja schon aus der Tatsache, dass es einen Anfang hatte. Klar haben Sie mit dem Olberssche Paradoxon Recht, eine unendliche Zahl von Sternen, die über eine unendliche Zeitspanne leuchten, man sähe einen Stern neben und hinter dem anderen. Genau genommen beweißt diese Annahme aber, dass es nicht unendlich viele Sterne geben kann, nicht, dass das Universum nicht doch unendlich in Raum und Zeit sein könnte (weit entfernte Räume könnten ja leer sein; aber davon ist nicht auszugehen, weil die Wissenschaft keine bevorzugten Gegenden im All annimmt). So weit ich das sehe, haben Dunkle Materie und Dunkle Energie nichts mit der Tatsache zu tun, ob es nachts dunkel wird oder nicht. Herr Olbers hatte einen sehr klugen Gedanken (von wegen „Mottenkiste“ Walter! Die kosmische Hintergrundstrahlung, die fast gleichmäßig im All verteilt ist, hat eine völlig andere Ursache, und das Paradoxon funktioniert nur mit unendlich vielen Sternen, dass es soviel Sterne nicht gibt, dürfte klar sein und es ist genau das, was Olbers beweisen wollte), und wenn es heute andere Gründe dafür gibt, dass das Universum weder als zeitlich noch als räumlich unendlich angenommen wird, so konnte er dass damals nicht wissen.

Was es nun bedeutet, dass die Energie des Universums null sein soll –ich glaube es langsam zu verstehen. Damit scheint die Expansion in Bezug auf die entgegen wirkende Gravitation gemeint zu sein. Die Kosmologen setzen den Fall, dass sich Expansion und Gravitation genau aufheben gleich eins, größer eins bedeutet ein Universum, dass sich in alle Ewigkeit ausdehnt, weil die Expansionskraft stärker als die Gravitation ist, kleiner eins bedeutet, dass sich das Universum wieder zusammen ziehen wird; und alle Messungen des sichtbaren Kosmos scheinen darauf hin zu deuten, dass dieser Wert in unserem Kosmos gerade eins ist (damit ist der Kosmos „flach“, und das meint Herr Lesch). Das scheint geheimnisvoll zu sein – beinahe genau eins-, aber nur dann, wenn man die inflationäre Phase des Urknalls außer Acht lässt. Wie oben erwähnt, ist der Kosmos wahrscheinlich zehntausend mal größer als der für uns sichtbare Bereich, eher noch gewaltiger, manche Wissenschaftler nehmen einen Faktor fünfzig für die Inflationsphase kurz nach dem Urknall an, also fünfzig mal erfolgte eine Verdoppelung des „Urkorns“. Die „Flachheit“ des Raumes ergibt sich einfach dadurch, dass der Kosmos so überwältigend riesig ist (die Erde erscheint uns auch flach, erst aus dem All ist ihre Kugelgestalt zu erkennen).

Im Übrigen muss ich wiederholen, dass die Aussage: „Das Universum hat die Energie null“ eine leere Aussage ist. Analog ist die Aussage: „Das Auto hat die Geschwindigkeit fünfzig“ eine leere Aussage (wobei wir Umgangssprachlich natürlich wissen, was in diesem Fall gemeint ist, aber mit der Umgangssprache kommen wir in der Wissenschaft nicht weiter).

Auch noch einmal zu den Vakuum-Fluktuationen. Nur in naiver Auslegung der Urknalltheorie wird behauptet, dass sich der Kosmos aus dem Nichts entwickelt hat. Das Vakuum im hier gemeinten Sinne ist nicht leer, sonder ständigen, energetischen Schwankungen unterworfen, die umso stärker sind, je kleiner der Bereich ist, in dem die Schwankungen stattfinde. Unter klein ist hier wirklich klein zu verstehen, es sind prinzipiell Schwankungen unterhalb der Plancklänge und sie dauern kürzer als die Planckzeit. Noch einmal, dieses Vakuum ist nicht die Leere des Weltalls, sondern ein Zustand unterhalb von Raum und Zeit, Raum und Zeit sind mit allem, was wir in unserer schönen Welt vorfinden, aus einer solchen energetischen Schwankung entstanden.

Viel Stoff, aber Ars longa, Vita brevis, was immer das in diesem Zusammenhang bedeuten soll (wohl eher nichts).

Mit freundlichen Grüßen

Henry Grimmer





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