Re: Ein weiterer, düsterer Aspekt, - so so


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Abgeschickt von Heinz Boente am 03 Dezember, 2007 um 15:26:00

Antwort auf: Re: Ein weiterer, düsterer Aspekt, - so so von Walter Keil am 02 Dezember, 2007 um 18:48:18:

Hallo Herr Keil, hallo Herr Heim,

Atheismus ist eben gerade keine Ersatzreligion, sondern die Weltanschauung von humanistisch denkenden Individualisten. Es mögen viele oder sogar sehr viele sein, aber eine "Glaubensgemeinschaft Nichtglaubender" gibt es nicht. Jemand, der das Vorhandenseins eines Gottes leugnet, hat natürlich Gründe, genauso wie jemand, der an einen Gott glaubt, welche hat. Wie gesagt, ich spreche hier von einem wohlbegründeten Atheismus, nicht etwa von einer dumpfen, unreflektierten Ignoranz.

Man muß auch sicherlich unterscheiden zwischen jemandem, der kirchliche Gemeinschaften (mit allen ihren Dogmen und Ritualen usw.) ablehnt, aber trotzdem an eine Art Schöpfer des Universums glaubt, und jemandem, der auch dies strikt ablehnt. Genau an diesem Punkt scheiden sich die Geister: entweder gibt es einen Schöpfer, der den Urknall bewirkt und dann mittels Evolution das ganze Universum samt Inhalt hat sich entwickeln lassen, oder das Universum ist aus sich selbst heraus entstanden. Beides ist derzeit weder beweis- noch leugbar, im Grunde führt das also zumindest zur Agnostik.

Gläubige und Atheisten beziehen nun aber eindeutig Stellung, wobei der Atheist das Vorhandensein eines Gottes schlichtweg leugnet und der Gläubige eine Vielzahl von Gründen findet, warum es (angeblich) doch einen Gott geben muß.

Auch das Gottesbild spielt hier hinein. Wenn die Evolution die treibende Kraft allen bekannten Seins ist (und den wissenschaftlichen Erkenntnissen nach, das brauchen wir sicher hier nicht weiter zu diskutieren, sieht es so aus), dann kann man diese Kraft, dieses Prinzip natürlich "Gott" nennen. Einverstanden, dann "glauben" wissenschaftlich informierte Atheisten halt an die "eine heilige Evolution". Wenn es aber einen personifizierten Gott gibt, wie sieht sie/er aus? Warum hat es ihr/ihm gefallen, überhaupt etwas zu schaffen? Antwort: Tja.... Bin ich bereit zuzugestehen, daß das Universum unendlich und aus sich selber heraus entstanden ist, warum brauche ich dann noch einen Gott, der es "angeschubst" hat?

Die Frage, warum gewisse Anlagen im Menschen vorhanden zu sein scheinen (ich formuliere vorsichtig), hat in den letzten Jahrhunderten nach der Aufklärung viele Wissenschaftler und Philosophen beschäftigt, Martin Urban ("Warum der Mensch glaubt"), Andrew Newberg ("Der gedachte Gott"), Richard Dawkins ("Das egoistische Gen"), Paul Davies ("Der Plan Gottes") usw., aber natürlich auch Hans Küng ("Der Anfang aller Dinge") mögen hier stellvertretend für die jüngeren Veröffentlichungen stehen. Die unterschiedlichsten Teilaspekte werden jeweils beleuchtet und auch wohl begründet, aber letztlich läuft alles immer wieder auf die Frage hinaus: wer oder was ist, wie Küng es formuliert hat, der Anfang aller Dinge? Sie weiter oben! Eines steht jedenfalls aus rein wissenschaftlicher Sicht fest: Religiosität ist keine genetische Veranlagung, sondern eine kulturelle Errungenschaft.

Entwicklungsgeschichtlich betrachtet haben die Götter ziemlich häufig gewechselt: vom Glauben an die "beseelte" Natur voll von Dämonen und guten Geistern, über die Gottkönige der Ägypter, über die "vermenschlichte" Götterwelt der Griechen und Römer, bis hin zu den mehr oder weniger abstrakten monotheistischen Religionen, so wie wir sie heute kennen und denen der größte Teil, sagen wir lieber: ein sehr großer Teil der Menschheit angehören.

Sie, Herr Keil, nennen HvDs dualistische Darstellung. Das ist aber natürlich auch kein Argument, sondern nur seine rein persönliche Auffassung.. Sicherlich, seine Versuche, Wissenschaft und Religion in irgendeiner Weise zu versöhnen und daraus ein Weltbild zu formen, das auch wissenschaftlich denkende Menschen befriedigt, kann man ihm gar nicht hoch genug anrechnen, aber ein "Beweis" ist das selbstverständlich nicht.

Auch die berühmte Bergpredigt eines Jesus von Nazareth gibt unbestritten eine Menge - bitte verzeihen Sie mir meine saloppe Formulierung - guter Tipps, um das Zusammenleben in menschlichen Gemeinschaften zu verbessern, aber eines steht doch wohl fest: Religionen haben Ethik und Moral nicht erfunden, sie haben sie vielleicht nutzbarer und griffiger formuliert, aber nicht erfunden. Wäre dem so, dann dürfte es Dinge wie Elternliebe, Respekt des Eigentums anderer, Hilfsbereitschaft bis hin zum Altruismus etc. im Tierreich (und es gibt dies alles dort!) gar nicht geben. Dann würde der häufig aus ideologischen Gründen gründlichst falsch zitierte Darwinsche Satz vom angeblichen Überleben des Stärkeren verhindert haben, daß sich überhaupt "sanfte" Lebewesen entwickeln konnten. Unsere Erde wäre dann (HvD hat es mal so formuliert) tatsächlich angefüllt mit waffenstarrenden Monstern.

Und hier schließt sich m. E. der Kreis, denn das ist unsere Erde mittlerweile tatsächlich: angefüllt mit waffenstarrenden Monstern, Sie selber, Herr Keil haben die Namen genannt, dabei aber einige aktuelle ausgelassen. Und warum ist das alles so? Vielleicht trifft hier der Satz von Ephraim Kishon zu: "Bekanntlich kann der Mensch seinem Mitmenschen alles verzeihen, nur nicht, daß er nach einem anderen Ritus zu seinem Gott betet." Unter diesem Aspekt unterschreibe ich alles, was Herr Heim in seinen Beiträgen zu diesem Thema geschrieben hat. Damit läßt sich sowohl ein Einmarsch in den Irak begründen, wie die öffentliche Verbrennung von Hexen, wie das Steuern von Flugzeugen in bewohnte Hochhäuser. Das sind alles keine Terroristen (im Sinne von Schreckensverbreitern), sonder tief religiöse Menschen, die fest davon überzeugt sind, das einzig Richtige in ihrem Glauben zu tun.

Der Einwand, Hitler, Stalin und Konsorten haben ihre Verbrechen als Atheisten begangen zieht hier allerdings nicht, denn was diese Herrn getan haben ist nämlich genau dies: sie haben tatsächlich aus dem Atheismus eine Ideologie, sprich: Religion gemacht. Und in deren Namen läßt sich (siehe die Bibelstellenhinweise von Herrn Heim, die ähnlich formuliert genauso im Koran zu finden sind) prima auf Andersgläubige einschlagen. Ich zitiere dazu zuerst Richard Dawkins: "Daß ein Krieg im Namen des Atheismus geführt wird, kann ich mir nicht vorstellen. Was sollte der Grund sein?" Und noch Steven Weinberg: "Religion ist eine Beleidigung für die Menschenwürde. Mit ihr oder ohne sie gibt es gute Menschen, die gute Dinge tun, und böse Menschen, die böse Dinge tun. Aber damit gute Menschen böse Dinge tun, braucht es die Religion."

Meiner Überzeugung nach ist die Religiosität des Menschen eine aus evolutionärer Sicht betrachtete Übergangslösung. Unsere Gehirne haben die Entwicklungsstufe auch in, seien wir großzügig, einer Millionen Jahre dauernden Evolutionsgeschichte noch nicht erreicht, ohne die "Hilfskonstruktion" einer lenkenden Autorität auszukommen und ein menschliches Zusammenleben zu ermöglichen, das von Nächstenliebe, Verständnis, Wissen, Bildung, Kultur und Verantwortungsbewußtsein geprägt ist und nicht von altmodischen Dogmen, die bisher nur Unheil gebracht haben. Es bleibt - wie so vieles in diesem Thema - fraglich, ob das menschliche Gehirn diese Stufe jemals erreichen wird, oder ob es nicht vorher schon in einer Klimakatastrophe oder in einem Atompilz zugrunde geht. Möglicherweise ist die Erreichung dieses Zustandes aber für einen Atheisten dasselbe, was für einen gläubigen Menschen das Paradies ist. Etwas, für das sich sogar das Streben danach lohnt.

HB



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