Int. Erkenntnisse der Hirnforschung


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Abgeschickt von Helmut Pfeifer am 13 Februar, 2010 um 18:06:11

Sehr geehrte Forumsteilnehmer,

Einmal noch möchte ich einige interessante Erkenntnisse der Hirnforschung besprechen, welche ich recherchieren konnte.
Nach neuesten Erhebungen stellt sich das Gehirn grundsätzlich als ein extrem distributiv, also geteilt organisiertes System dar,in dem zahllose Teilaspekte der einlaufenden Signale "parzelliert" (gebietsweise) und parallel "abgearbeitet" (behandelt) werden. Zwar stehen alle wichtigen Bereiche miteinander über mächtige und reziproke ( hin- und herlaufende) Bahnverbindungen in intensiver Wechselwirkung, aber es ist völlig unklar, wie ein derart parallel organisiertes System dazu kommt, das Bild einer kohärenten (zusammenhängenden) Wahrnehmungswelt zu entwerfen und sich insgesamt zielgerichtet zu verhalten. Diesbezüglich hat man festgestellt, dass es überraschende Parallelen zu anderen komplexen Systemen gibt, die ebenfalls distributiv organisiert sind, keine lenkenden Konvergenzzentren besitzen und dennoch insgesamt ein koordiniertes, gerichtetes Verhalten zeigen, weil sie über starke Mechanismen der Selbstorganisation verfügen. Hierher gehören z.B. die Organisationen von Insektenstaaten.

Eine große Attraktion der Hirnforschung liegt daher darin, dass natürliche Gehirne als ideale Modelle für das Studium von Wechselwirkungen in komplexen, sich selbst organisierenden Systemen erkannt worden sind.
Man muss feststellen, dass in keiner uns bekannten Struktur so viele Einzelelemente zu einem funktionstüchtigem Ganzen verkoppelt sind, wie im menschlichen Gehirn. Das Nervensystem ist "lebender Beweis" dafür, dass komplexe, stark vernetzte Systeme stabile Zustände einnehmen können und zu zielgerichtetem Handeln fähig sind, obwohl sie keine übergeordenete und zentrale Steuerzentrale besitzen.

Es ist demnach zu hoffen, das ein vertieftes Verständnis des Gehirns einmal helfen wird, jene Regeln zu erkennen, die zur Stabilisierung und Selbstorganisation hochkomplexer, dynamischer Systeme beitragen. Diese Regeln wären schon deshalb von großer Bedeutung, da ähnliche Organisationsprobleme in menschlichen Öko- und Wirtschaftssystemen, aber auch in sozialen Systemen auftreten. Wer hätte diese bestehende Querverbindung bis vor kurzem geahnt?

Für die neuere Hirnforschung ganz wichtig ist die Konvergenz vormals getrennter Wissensbereiche, welche in zunehmenden Maße durch interdisziplinär strukturierte Forschungseinrichtungen ihren Ausdruck findet.
Dabei erfüllt besonders die USA die Rolle eines Vorreiters.

Bedeutsam ist auch die Erkenntnis, dass das uralte Leib- Seele Problem, die Frage nach dem Verhältnis von Geist und Materie, mit einem Male nicht mehr nur Gegenstand philosophischer Diskurse, sondern auch zu einem zentralen Thema der Hirnforschung geworden ist.

Zuletzt noch ein interessantes Detail aus der Hirnforschun, welches die Hirnentwicklung betrifft. Untersuchungen brachten die überraschende und klinisch bedeutsame Erkenntnis, dass die strukturelle Reifung des Gehirns höherer Säugetiere einschließlich des Menschen bei der Geburt längst nicht abgeschlossen ist, sondern sich noch etliche Jahre bis über die Pubertät hinaus fortsetzt. Dabei erfährt die Verschaltung verschiedener Hirnzentren noch größerer Umänderungen. Während dieser Zeit werden, entsprechend den funktionellen Anforderungen, eine Reihe von neuen Verbindungen angelegt, aber auch andere nicht benötigte "gekapt". Interessant ist, dass das heranwachsende Gehirn die Kriterien für diese Selektionsvorgänge zum Teil aus der Interaktion mit seiner Umwelt gewinnt.
Ein gutes Beispiel sind das Sehen: Wenn diese während der ersten Lebensjahre wegen einer Hornhauttrübung nicht benutzt werden können, dann werden die für den Sehvorgang in der Hirnrinde erforderlichen Verbindungen nicht optimiert. Der Betroffene bleibt für immer blind, selbst wenn später im Auge operativ nomale Verhältnisse hergestellt werden. Das Gehirn hat gleichsam "versäumt", in der Hirnrinde die Strukturen auszubilden, die für die Interpretation von Signalen aus den Augen erforderlich sind. Ähnliches gilt auch für den Spracherwerb.
Obwohl es noch eine Menge zu diesem Thema zu sagen gäbe, mache ich hier Schluss. Vielleicht mehr darüber ein anderes Mal.

Mit besten Grüßen

Helmut Pfeifer

PS: Eine kurze Entschuldigung an Hrn. de Neidels, weil ich seine Stellungnahme vom 30. 12. übersehen habe. Ich habe gestern eine kurze versöhnliche Antwort ins Forum gestellt.



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