Re: Ist Simulation des Urknalls möglich?


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Abgeschickt von Henry Grimmer am 29 September, 2008 um 16:38:57

Antwort auf: Ist Simulation des Urknalls möglich? von Helmut Pfeifer am 18 September, 2008 um 18:19:56:

: S.g. Forumsbesucher,

: CERN und Teilchenbeschleuniger waren in letzter Zeit das große Thema in den Medien.

: Im Zusammenhang mit den beginnenden Versuchen wurde u.a.berichtet, dass man durch Simulation des Urknalls neue Aufschlüsse über dieses Phänomen und über die Beschaffenheit der Materie erhalten möchte.
: Wenn man sich einigermaßen über den Urknall informiert hat- in vielen naturwissenschaftlichen Büchern ist darüber zu lesen- dann fällt zunächst die Unanschaulichkeit auf, mit der sich die Ereignisse und vorallem die Dimensionen darstellen. Ich komme noch darauf zurück.
: Zunächst muss einmal festgehalten werden, dass dieses physikalische "Urknallmodell" erst erstellt werden konnte, nachdem die Expansionsbewegung des Universums erkannt worden war( Hubble!) Vereinfacht gesagt, war es somit möglich, den "Film" rückwärts laufen zu lassen bis genau zu dem Zeitpunkt, als das gesamte Universum in einen einzigen Punkt zusammengepresst war dessen Durchmesser mit dem 10 hoch 32stel Teil eines Zentimeters berechnet worden ist!! Das bedeutet, Dichte, Druck und somit Temperaturen sind monströs, es wird auch von "unendlich" gesprochen! Dieser Zustand wird von den Physikern als "Sigularität" bezeichnet. Sie ist die größte Annäherung an eine übernatürliche Wirkkraft, auf der die Naturwissenschaft bislang gestoßen ist.Sie ist der Rand oder die Schwelle für den Eintritt der Raum-Zeit in das Universum, also der Zeitpunkt ihres Entstehens. Die Singularität wird auch als Schnittstelle zwischen dem Natürlichen und dem Übernatürlichen ( Transzendenten) genannt.
: Penrose und Hawking haben nachgewiesen, dass Singularitäten keineswegs selten auftreten, sondern bei geeigneten physikalischen Bedingungen geradezu unvermeidlich sind, sobald die Schwerkraftwirkung stark genug ist- was beim Urknall sicher der Fall war.
: Eine Frage, die nicht ganz klar erscheint, könnte vielleicht durch CERN beantwortet werden: Hat die Singularität ein völlig chaotisches, unstrukturiertes Universum geschaffen, oder eines mit einer vorgegeben Ordnung, zusammenhängend und organisiert?
: Hamking neigt eher zu der Annahme, das Ur-universum wäre gänzlich willkürlich und chaotisch gewesen, was zu der allgemeinen Annahme passt, dass am Anfang ein Zustand höchster Unordnung ( thermodynamisches Gleichgewicht) geherrscht hätte. Diesbezügliche Vorstellungen bewegen sich im Grenzbereich der modernen theoretischen Physik und könnten ebenfalls durch das CERN Projekt Erhellung erfahren.
: Über die Entstehung von Materie zunächst in Form elementarer Teilchen aus dem "Nichts" hat die Quantenphysik schon einige Theorien geliefert, die recht plausibel klingen. Auch hier könnten die Versuche mit dem Teilchenbeschleuniger neue Erkenntnisse bringen.
: Über den ersten Augenblick hinaus - das ist mit dem 10 hoch 43-stel Teil einer Sekunde (Planck Zeit)die kürzerste Zeitspanne im Universum - sollen angeblich eine Unzahl an atomaren Prozessen in unfassbar kurzer Zeit vor sich gegangen sein. Man nimmt an, dass zunächst eine "Suppe" aus Urteilchen, etwa Verwandte von Quarks, vorhanden waren, welche beständig wechselwirkten. Die vier grundlegeden Kräfte, Gravitation, elektrom.Kraft, starke und schwache Kraft waren wahrscheinlich noch in einer einzigen universellen Kraft vereint.
: Auch das sind Modellvorstellungen, die noch nicht bestätigt sind. Das Universum dürfte zu diesem Zeitpunkt ( etwa dem 10hoch 30stel Teil einer Sekunde!) nur aus einem Kraftfeld bestanden haben, das noch nicht das winzigste Teilchen enthalten haben soll. Dann aber dürfte nach der sogenannten "inflationären" Phase( Aufblähung), die als ganz bedeutsam erachtet wird, die Entstehung der ersten Elementarteilchen eingesetzt haben, wie etwa der Quarks, Elektronen, Photonen und Neutrinos. Die Kräfte differenzierten sich und die Quarks verbanden sich zu Neutronen und Protonen. Mit den Teilchen entstanden auch die Antiteilchen und es ist bis heute wissenschaftlich nicht völlig klar, warum sich letztlich Materie bilden konnte, weil Materie und Antimaterie sich normalerweise sofort gegenseitig vernichten. Darüber gibt es viele Vermutungen und Theorien, warum dies augenscheinlich nicht der Fall war. Vielleicht erfährt man durch die jetzigen Versuche mehr darüber?
: Es gäbe noch vieles mehr zu erörtern, aber das würde den gegebenen Rahmen sprengen. Vielleicht ergibt sich noch etwas Intessantes für später.
: Einen Aspekt möchte ich noch erwähnen, der allgemein zu einer irrigen Annahme führen könnte: Die Materie wurde beim Urknall nur in Form von Wasserstoff- und Heliumatomen bzw. deren Isotope gebildet, weil durch die rasche Expansion die kritische Temperatur für die Kernfusion unterschritten wurde und somit die Erzeugung weiterer Elemente verhinderte. (Isotope unterscheiden sich nur durch ein geringfügig anderes Atomgewicht) Man spricht z.B. von einem "schweren Wasserstoff", dem Deuterium, das zunächst beim Urknall gebildet wurde.
: Als Leser von HvD`s "Kinder des Weltalls" wissen Sie natürlich, dass all die anderen natürlichen Elemente, von denen es insgeamt 92 gibt, erst im Inneren vergehender Sonnen durch atomare Fusionsprozessen bei enorm hohen Temperaturen erzeugt werden. Diese Prozesse sollen aber ähnlich mit denen des Urknalls sein, sodass man vielleicht auch hier durch das CERN Projekt etwas erfahren wird können.
: Man wird sehen, wieviele Erkenntnisse sich gewinnen lassen können und daraus wird sich ergeben, ob sich der in jeder Hinsicht enorme Aufwand gelohnt haben wird!

: Mit besten Grüßen

: Helmut Pfeifer

Sehr geehrter Herr Pfeifer,

mit Interesse verfolge ich seit einiger Zeit die Aktivitäten in diesem Forum, im Besonderen auch ihre Beiträge. Aber erlauben sie mir zu obigem Artikel ein paar Anmerkungen.

Um die Frage, die ihre Überschrift enthält, zu beantworten (was sie in ihrem Beitrag im Übrigen nicht tun): Nein, die Simulation des Urknalls ist nicht möglich und liegt auch gar nicht in der Absicht der beteiligten Wissenschaftler.

DAS grundlegende Problem im Zusammenhang mit dem Urknall ist, dass niemand etwas über ihn weiß, es gibt keine seriöse Theorie, die uns den Urknall erklärt. Das Missverständnis ist sicher verständlich, denn so gut wie alle populär-wissenschaftlichen Veröffentlichungen über dieses Thema behaupten genau das, ein Grund ist vermutlich die Wirkung, die man erzielen möchte. Was sie richtiger Weise erwähnen, ist die Planck-Zeit und ist (wenn auch nicht explizit erwähnt) die Planck-Länge (nebenbei ca. 10 hoch minus 35 cm), die beide in Abhängigkeit voneinander definiert werden – die kleinstmögliche Entfernung, die Licht zurücklegen kann, mithin in der kleinstmöglichen Zeitspanne. Beides deshalb kleinstmöglich, weil es laut Heisenbergscher Unschärfe-Relation die kleinsten Zeit- bzw. Raumeinheiten sind, über die sich sinnvoller Weise Aussagen machen lassen. Das Ereignis (der Urknall) ist aber ein „Davor“, und hier zeigt sich schon unsere begriffliche Unmöglichkeit, den Urknall zu beschreiben, denn wenn tatsächlich als eine seiner Folgen erst Raum und Zeit entstanden, wie kann man dann von einem „Davor“ sprechen? Was ist ein raum- und zeitloses Etwas? Was ist da explodiert und hat sich als Universum breit gemacht?

10 hoch minus 32 cm ist wahrhaft klein, aber es ist kein Punkt, denn ein Punkt hat per definitionem keine Ausdehnung und nur in diesem Zusammenhang könnte man von unendlich großer Energie sprechen und DAS wäre dann im Übrigen eine Singularität, nämlich ein rein mathematisches Konstrukt, und dieses Konstrukt zeigt, dass die Theorie (in unserem Falle die Kosmologie) hier ihre Grenze findet, sie bricht schlicht zusammen (genauer gesagt liegt die Schwierigkeit in der Verbindung von Quantenmechanik und allg. Relativitätstheorie, an der alle Vereinheitlichungs-Versuche bisher scheitern; einen Ausweg verspricht evtl. die Superstringtheorie).

Klar, diese Größenordnungen irritieren, 10 hoch minus 32 oder 10 hoch minus 12 cm – für uns kaum ein Unterschied, passen doch diese Abmessungen aber Milliarden mal in einen Zentimeter, nur ist diese Sichtweise nicht ganz richtig, es geht nicht um die absoluten Zahlen, sondern um die Relationen, zwischen beiden Werten liegen 20 Größenordnungen, um in die Größenordnung 10 hoch minus 32 zu gelangen bräuchte man Collider, die die Größe von Galaxien hätten, und dann wäre man immer noch in Raum und Zeit. Also, bei den Experimenten im CERN vom Urknall zu reden, scheint doch reichlich vermessen.

Dass es schwarze Löcher geben könnte, wurde schon von Schwarzschild erkannt (daher „Schwarzschild-Radius“ für die Grenze, die ein massebehaftetes Objekt unterschreiten muss, wenn es ein schwarzes Loch werden will – mal salopp ausgedrückt), und zwar unter Verwendung der allg. Relativitätstheorie. Das schwarze Loch (soweit es sein Inneres betrifft) ist die eine, der Beginn des Universums die andere Möglichkeit, zu Singularitäten zu erzeugen, andere Möglichkeiten kennen wir nicht- wenn wir die Mathematik auf die Physik anwenden, wohlgemerkt- , und wie gesagt, es ist die Mathematik, die uns hier den Streich spielt, und nicht die Natur. Und außerdem – nicht unwichtig – die Singularität bzgl. des Urknalls bezieht sich auf die Zeit, nicht auf den Raum!

Was an seltsamen, exotischen Teilchen sich im ersten Inferno bildeten und gleich wieder vergingen wird auf ewig Spekulation bleiben, aber die einzelnen Phasen mit ihren Symmetriebrüchen, das „Ausfrieren“ der Naturkräfte, Entstehung der Quarks, Elektronen, später Protonen, Neutronen, das Übergewicht der Materie über die Antimaterie (Nichterhaltung der Baryonenzahl), das Übergewicht der Photonen über alle Materieteilchen – ein Teilchen jedweder Art gegen ein Milliarde Photonen! -, all das wir recht gut von der Theorie beschrieben, die experimentelle Bestätigung wir aber im Einzelfall bis in ferne Zukunft, vielleicht für immer, unmöglich sein.

Folglich und nachvollziehbar konzentriert man sich auf das Mögliche, eine große Hoffnung für das Mögliche ist der Nachweis des Higgs-Teilchens. Eine von scheinbar einfachen Fragen lautet: Warum haben Teilchen Masse? Was verleiht ihnen Masse? Nach der Theorie ist es das Higgs-Teilchen, das dafür verantwortlich ist, und sein Nachweiß wäre ein Triumph der Theoretiker, und dieser Nachweis ist eins der ganz wichtigen Ziele für die Experimente des CERN-Projekts.
Die Erzeugung vom Wasserstoff , Helium, geringe Anteile Deuterium (schwerer Wasserstoff) und Lithium in den ersten Zuckungen des Universums (primordiale Nukleosynthese) - soweit ist das richtig, aber es werden in ganz normalen Sternen alle Elemente bis hinauf zum Eisen in unterschiedlichen Zyklen erzeugt, je schwerer die Elemente, desto größer muss der Druck sein (höhere Temperatur), bis hin zum Eisen kann dadurch die Kernfusion in Gang gehalten werden, es wird Energie freigesetzt( auch unsere Sonne wird diese Zyklen durchlaufen). Für die Elemente nach Eisen gilt das nicht mehr, um sie zu erzeugen, braucht es die gewaltige Kraft einer Super-Nova-Explosion.

Bis hierher, denn für Ihren Ausflug in´s Transzendente gestatten sie mir bitte eine ausführliche Stellungnahme; ich würde gern begründen, warum ich eine andere Überzeugung in dieser Frage habe.

Ich hoffe, ein wenig zum Nachdenken hinterlassen zu haben,

mit freundlichen Grüßen

Henry Grimmer

P. S.

Hallo, Walter Keil, sei gegrüßt, und schau mal wieder bei Ureda vorbei, die haben einen neuen Urknall nötig!

Gruß

Henry




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